Schwarzer Schmetterling
Kragen seiner Jacke zur Seite.
»Darf ich mal sehen? … Sieht ziemlich übel aus … Ich fahr Sie ins Krankenhaus. Das muss sofort behandelt werden. Die Halswirbel und der Kehlkopf müssen geröntgt werden.«
»Danke, dass Sie vorbei… vorbeigekommen sind …«
»Guten Tag«, sagte Monsieur Monde.
»Guten Tag«, antwortete Diane. »Ich möchte zu Julian.«
Monsieur Monde musterte sie mit schiefem Gesicht, seine Hände wie Pranken auf dem Gürtel. Diane hielt dem Blick des Hünen stand, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie bemühte sich, einen kühlen Kopf zu bewahren.
»Sie kommen ohne Dr. Xavier?«
»Ja.«
Ein Schatten huschte über das Gesicht des Giganten. Wieder sah sie ihm in die Augen. Monsieur Monde zuckte mit den Achseln und wandte ihr den Rücken zu.
Sie folgte ihm mit klopfendem Herzen.
»Besuch!«, rief der große Wachmann, nachdem er die Zellentür geöffnet hatte.
Diane ging hinein. Ihr Blick begegnete dem überraschten Blick Hirtmanns.
»Guten Tag, Julian.«
Der Schweizer antwortete nicht. Er schien heute einen schlechten Tag zu haben. Die gute Laune vom letzten Mal schien wie verflogen. Diane musste ihre ganze Willenskraft aufwenden, um nicht auf dem Absatz kehrtzumachen und wieder hinauszugehen, ehe es zu spät war.
»Ich wusste gar nicht, dass ich heute Besuch bekomme«, sagte er endlich.
»Ich auch nicht«, erwiderte sie. »Jedenfalls nicht bis vor fünf Minuten.«
Diesmal wirkte er aufrichtig fassungslos, und sie empfand beinahe so etwas wie Genugtuung darüber. Sie setzte sich an den kleinen Tisch und breitete ihre Papiere vor sich aus. Sie wartete, dass er sich auf den Stuhl auf der anderen Seite des Tischs setzen würde. Aber das tat er nicht, sondern er lief vor dem Fenster auf und ab wie eine Raubkatze im Käfig.
»Da wir uns regelmäßig treffen werden«, hob sie an, »würde ich gerne einige Dinge mit Ihnen klären, um unseren Gesprächen einen Rahmen zu geben und eine Vorstellung davon zu bekommen, wie es in dieser Einrichtung so zugeht …«
Er blieb stehen, um ihr einen langen, argwöhnischen Blick zuzuwerfen, dann begann er wieder, schweigend auf und ab zu gehen.
»Es macht Ihnen doch nichts aus?«
Keine Antwort.
»Also … zunächst einmal … bekommen Sie viel Besuch, Julian?«
Wieder blieb er unvermittelt stehen und starrte sie an, dann marschierte er nervös weiter, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.
»Besucher von draußen?«
Keine Antwort.
»Und wer besucht Sie hier: Dr. Xavier? Elisabeth Ferney? Wer sonst noch?«
Schweigen.
»Sprechen Sie gelegentlich mit ihnen über das, was draußen passiert?«
»Hat Dr. Xavier diesen Besuch genehmigt?«, fragte er plötzlich, während er stehen blieb und sich vor ihr aufpflanzte.
Diane bemühte sich, zu ihm aufzusehen. Wie er da so vor ihr stand, war er doppelt so groß wie sie.
»Nun, ich …«
»Ich wette nein. Was tun Sie hier, Dr. Berg?«
»Äh … ich habe es Ihnen doch gerade gesagt, ich …«
»Tssst-tssst. Es ist unglaublich, wie es euch Psychologen manchmal an psychologischem Feingefühl mangelt! Ich bin gut erzogen worden, Dr. Berg, aber ich mag es nicht, wenn man mich für dumm verkauft«, fügte er mit schneidender Stimme hinzu.
»Sind Sie im Bilde über die Vorfälle draußen?«, fragte sie, jetzt nicht mehr im professionellen Psychologenton.
Er sah auf sie herunter und wirkte nachdenklich. Dann beschloss er, sich hinzusetzen, nach vorn geneigt, die Unterarme auf dem Tisch und die Hände gefaltet.
»Sie meinen diese Morde? Ja, ich lese Zeitung.«
»Dann verfügen Sie nur über die Informationen, die in den Zeitungen stehen, oder?«
»Worauf wollen Sie hinaus? Was ist da draußen los, dass Sie hier in einem solchen Zustand erscheinen?«
»Was für ein Zustand?«
»Sie wirken …
verängstigt.
Aber nicht nur das. Sie wirken wie jemand, der etwas sucht … oder wie ein kleines Tier, ein kleines wühlendes Säugetier. Genau so sehen Sie aus: wie eine dreckige Wühlmaus … Wenn Sie Ihren Blick sehen könnten! Verflixt, Dr. Berg, was ist los mit Ihnen? Sie halten es hier nicht aus, stimmt’s? Haben Sie keine Angst, Sie könnten mit all Ihren Fragen den reibungslosen Ablauf in dieser Anstalt stören?«
»Man könnte meinen, da spräche Dr. Xavier«, spöttelte sie.
Er lächelte.
»Ach nein, ich bitte Sie! Als Sie dieses Zimmer zum ersten Mal betreten haben, habe ich sofort gespürt, dass Sie hier fehl am Platz sind. Diese Klinik … Was glaubten Sie hier zu
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