Schwarzer Schmetterling
gegriffen. Die erste Person, die er an die Strippe bekam, wollte ihm zunächst keine klare Antwort geben. Über diese Fragen sprach man nicht am Telefon, nicht einmal mit einem Polizisten. Als er die Zahl von 135 000 Dollar nannte, bestätigte man ihm, dass dies ungefähr dem üblichen Preis für eine solche Strecke entsprach.
Espérandieu spürte, wie seine Anspannung stark zunahm.
In der folgenden halben Stunde führte er ein halbes Dutzend Telefonate. Die ersten ergaben nichts. Jedes Mal erhielt er die gleiche Antwort: Nein, am angegebenen Datum sei nichts dergleichen vorgefallen. Wieder kam ihm seine Idee lächerlich vor. Mit diesen 135 000 Dollar konnte man alles Mögliche kaufen! Er führte ein letztes Telefonat, und diesmal: Bingo! Er lauschte der Antwort seines Gesprächspartners mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und wachsender Erregung.
Und wenn er soeben ins Schwarze getroffen hatte?
Wäre das möglich? Eine leise Stimme versuchte, seine Begeisterung zu dämpfen: Es konnte sich, natürlich, um einen reinen Zufall handeln. Aber daran glaubte er nicht. Nicht an diesem Datum. Als er auflegte, konnte er es immer noch nicht fassen. Unglaublich! Mit einigen Telefonaten war es ihm gelungen, die Ermittlungen einen gewaltigen Schritt voranzubringen.
Er sah auf die Uhr: 16 : 50 Uhr. Er überlegte, ob er mit Martin darüber sprechen sollte, aber dann besann er sich: Erst brauchte er eine endgültige Bestätigung. Er nahm sein Telefon und wählte fieberhaft eine weitere Nummer.
Diesmal hatte er eine Spur.
» WIE FÜHLST DU DICH ?«
»Nicht gerade umwerfend.«
Ziegler sah ihn an. Sie schien fast genauso erschüttert zu sein wie er. Ein Kommen und Gehen von Krankenschwestern in seinem Zimmer. Ein Arzt hatte ihn untersucht, und er war mehrfach geröntgt worden, ehe er auf einer Fahrtrage in sein Zimmer gebracht worden war, obwohl er durchaus in der Lage gewesen wäre, zu Fuß zu gehen.
Xavier wartete auf einem Stuhl im Flur des Krankenhauses, bis Ziegler Servaz’ Aussage aufgenommen hatte. Auch ein Gendarm stand vor seiner Tür. Diese wurde plötzlich weit aufgerissen.
»Herrgott, was ist passiert?«, versetzte Cathy d’Humières, die in sein Zimmer hineinschneite und ans Bett trat.
Servaz versuchte, es kurz zu machen.
»Und sein Gesicht haben Sie nicht gesehen?«
»Nein.«
»Sind Sie sicher?«
»Ich weiß nur, dass er stark war. Und dass er weiß, wie man jemanden bewegungsunfähig macht.«
Cathy d’Humières warf ihm einen langen, düsteren Blick zu.
»Das kann nicht mehr so weitergehen«, sagte sie. Sie wandte sich an Ziegler. »Sie unterbrechen sofort alle nicht dringenden Dienstaufträge und setzen alle verfügbaren Leute an diesen Fall. Wie weit sind wir mit Chaperon?«
»Die Ex-Frau von Chaperon hat keine Ahnung, wo er sich aufhalten könnte«, antwortete Ziegler.
Servaz erinnerte sich, dass die Gendarmin nach Bordeaux hatte fahren sollen, um sich mit der Ex des Bürgermeisters zu treffen.
»Wie sieht sie aus?«, fragte er.
»Bourgeoiser Typ. Snobistisch, broilerbraun und zu stark geschminkt.«
Er musste lächeln.
»Hast du sie über ihren Ex ausgefragt?«
»Ja, das war interessant: Als ich das Thema angeschnitten habe, hat sie sofort zugemacht wie eine Muschel. Sie hat nur Banalitäten von sich gegeben: die Bergsteigerei, die Politik und die Freunde, die ihren Ehemann völlig in Anspruch genommen hätten, ihre einvernehmliche Scheidung, ihre auseinanderlaufenden Lebenswege usw. Aber ich habe gespürt, dass sie das Wichtigste verschwieg.«
Servaz dachte plötzlich wieder an Chaperons Haus:
Sie schliefen getrennt … Wie Grimm und seine Ehefrau … Warum?
Waren ihre Ehefrauen hinter ihr schreckliches Geheimnis gekommen? Servaz war mit einem Mal fest davon überzeugt, dass genau das geschehen war. Vielleicht – ganz bestimmt sogar – hatten sie nur einen Teil der Wahrheit erahnt. Aber die Verachtung der Witwe Grimm für ihren Ehemann, ihr versuchter Suizid und der Umstand, dass die ehemalige Frau Chaperon hartnäckig über ihr Privatleben schwieg, hatten eine gemeinsame Ursache: Diese Frauen wussten, was für perverse und niederträchtige Mistkerle ihre Männer waren, auch wenn sie das ganze Ausmaß ihrer Verbrechen bestimmt nicht kannten.
»Hast du ihr gesagt, was wir im Haus gefunden haben?«, fragte er Ziegler.
»Nein.«
»Dann tu es! Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ruf sie an und sag ihr, wenn sie etwas verschweigt und ihr Ex-Mann wird tot aufgefunden, dann ist
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