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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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die seine Nerven zum Zerreißen anspannten.
    »Halluzinogene«, sagte Saint-Cyr, abermals lächelnd. »Du machst dir kein Bild, was man damit alles anstellen kann. Keine Sorge: Die Droge, die du bei jedem Essen hier eingenommen hast, ist nicht tödlich. Sie sollte lediglich deine geistigen und körperlichen Fähigkeiten dämpfen und dafür sorgen, dass deine Reaktionen danach einigen Leuten und auch dir selbst verdächtig vorkommen. Die Substanz, die ich in deinen Wein gegeben habe, wird dich eine Zeitlang lähmen. Aber du wirst nicht wieder aufwachen, denn bis dahin wirst du tot sein. Es tut mir wirklich sehr leid, dass ich zum Äußersten greifen muss, Martin, denn du bist zweifellos die interessanteste Person, die ich seit langem kennengelernt habe.«
    Servaz’ Mund stand weit offen wie bei einem Fisch, der gerade aus dem Wasser gezogen wurde. Stumpfsinnig starrte er Saint-Cyr aus weit aufgerissenen Augen an. Plötzlich packte ihn die helle Wut: Wegen dieser verdammten Droge würde er mit einem Idiotengesicht sterben!
    »Ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, das Verbrechen zu bekämpfen, und jetzt werde ich selbst in der Haut eines Mörders enden«, sagte der Richter bitter. »Aber du lässt mir keine andere Wahl: Eric Lombard muss in Freiheit bleiben. Dieser Mann steckt voller Pläne. Dank der Vereine, die er finanziert, können sich Kinder satt essen, können Künstler arbeiten, erhalten Studenten Stipendien … Ich werde es nicht zulassen, dass ein kleiner Polizist das Leben eines der hervorragendsten Männer seiner Zeit ruiniert. Zumal der lediglich auf seine Weise Gerechtigkeit geübt hat, in einem Land, in dem dieses Wort schon längst keinen Sinn mehr hat.«
    Servaz fragte sich, ob sie über denselben Mann sprachen: den, der Hand in Hand mit den anderen Pharmakonzernen alles darangesetzt hatte, die afrikanischen Länder von der Produktion von Medikamenten gegen Aids oder Meningitis abzuhalten; den, der seine Zulieferer in Indien und Bangladesch dazu nötigte, Frauen und Kinder auszubeuten; den, dessen Anwälte um der Patente willen Polytex aufgekauft hatten, ehe sie die Arbeiter der Firma entließen. Wer war der wahre Eric Lombard? Der zynische und skrupellose Geschäftsmann oder der Mäzen und Philanthrop? Der Junge, der seine kleine Schwester beschützte, oder der eiskalte Ausbeuter menschlichen Elends? Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
    »Ich … diese PSY …«, entfuhr es ihm. » MOR - DE  … Du verstößt … gegen … all … deine … Prinzip… beendest dein Leben … als … MÖR - DER  …«
    Er sah den Schatten eines Zweifels über das Gesicht des Richters huschen. Saint-Cyr schüttelte energisch den Kopf, wie um den Zweifel zu verjagen.
    »Ich scheide ohne Reue. Mit gewissen Prinzipien habe ich es mein ganzes Leben lang immer sehr genau genommen. Aber diese Prinzipien werden heute mit Füßen getreten. Heute sind Mittelmäßigkeit, Unredlichkeit und Zynismus die Regel geworden. Die Menschen wollen heute wie Kinder leben. Verantwortungslos. Dumm. Verbrecherisch. Trottel ohne jede Moral … Schon bald wird uns eine beispiellose Welle der Barbarei hinwegfegen. Die Anfänge sind schon zu sehen. Und, offen gesagt, wer wird unser Los beklagen? In Egoismus und Habgier verschleudern wir das Erbe unserer Vorfahren. Nur einige Menschen wie Eric schwimmen in diesem Schlamm noch obenauf …«
    Er fuchtelte mit der Waffe vor Servaz’ Gesicht herum. In dessen Körper, der an den Sessel gefesselt war, breitete sich die Wut aus wie ein Gegengift, das aus dem Magen in die Adern übertrat. Servaz machte einen Satz. Kaum dass es ihm gelungen war, sich aus dem Sessel zu lösen, wusste er auch schon, dass sein Versuch zum Scheitern verurteilt war. Seine Beine versagten ihm den Dienst, Saint-Cyr wich zurück und sah zu, wie er hinfiel, gegen einen kleinen Tisch stieß und dabei eine Vase und eine Lampe umwarf – deren blendendes Licht seine Sehnerven peitschte, während die Vase auf dem Boden zerbrach. Servaz lag bäuchlings auf dem Perserteppich; das Licht der Lampe, die dicht neben seinem Gesicht lag, verbrannte ihm die Netzhaut. Er hatte sich an dem Tischchen die Stirn aufgeschlagen, und das Blut rann ihm in die Brauen.
    »Ach, Martin, das bringt doch nichts«, sagte Saint-Cyr nachsichtig.
    Er stützte sich mühsam auf den Ellbogen. Die Wut brannte in ihm wie Glut. Das Licht blendete ihn. Schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen. Er sah nur noch Schatten und Lichtblitze.
    Er

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