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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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Tasten, über die man einen Code eingeben konnte, aber auch einen großen roten Sensor, auf den Xavier seinen rechten Zeigefinger drückte.
    »Bei unseren Insassen stellt sich dieses Dilemma natürlich nicht. Sie haben ihre Gefährlichkeit mehr als hinlänglich unter Beweis gestellt. Das hier ist die zweite Sicherheitsschleuse.«
    Auf der rechten Seite befand sich ein kleines, verglastes Büro. Diane sah zwei Gestalten hinter der Scheibe. Zu ihrem großen Bedauern ging Xavier an ihnen vorbei, ohne stehen zu bleiben. Sie wäre gerne den anderen Mitarbeitern vorgestellt worden. Aber sie war sich schon sicher, dass er das nicht tun würde. Die Blicke der beiden Männer folgten ihr durch die Scheibe. Diane fragte sich plötzlich, wie man sie wohl aufnehmen würde. Hatte Xavier über sie gesprochen? Wollte er sie hinterhältig aufs Glatteis führen?
    Den Bruchteil einer Sekunde lang sah sie vor ihrem inneren Auge voller Wehmut ihre Studentenbude, ihre Studienfreunde, ihr Büro an der Universität … Dann dachte sie an jemand Bestimmten. Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, und beeilte sich, das Bild Pierre Spitzners so tief wie möglich in ihren Hinterkopf zu verbannen.
     
    Servaz betrachtete sich im flackernden Schein der Neonröhre im Spiegel. Bleich war er. Mit beiden Händen stützte er sich am angeschlagenen Rand des Waschbeckens ab und versuchte, ruhig zu atmen. Dann beugte er sich vor und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht.
    Seine Beine trugen ihn kaum noch, er hatte das seltsame Gefühl, auf luftgefüllten Sohlen zu gehen. Der Rückflug im Hubschrauber war stürmisch gewesen. Oben am Berg hatte sich das Wetter deutlich verschlechtert, und Capitaine Ziegler hatte sich am Steuerknüppel festkrallen müssen. Mitten durch die reißenden Windstöße war der Hubschrauber wieder ins Tal hinuntergeflogen, dabei schaukelte er wie ein Rettungsboot auf einem entfesselten Meer. Kaum dass die Kufen den Boden berührt hatten, stürzte Servaz zu den Toiletten des Kraftwerks, um sich zu übergeben.
    Er wandte sich um, die Schenkel gegen die Waschbeckenzeile gedrückt. Mit Kugelschreiber oder Filzstift gezeichnete Graffiti entweihten einige Türen: BIB DER KÖNIG DER BERGE  … (ordinäre Angeberei). SOFIA IST NE HURE  … (gefolgt von einer Handynummer). DER DIREKTOR IST EIN SCHEISSKERL  … (eine Spur?). Schließlich eine Zeichnung von mehreren kleinen Figuren im Stil von Keith Haring, die sich, hintereinanderstehend, gegenseitig anal penetrierten.
    Servaz zog die kleine Digitalkamera, die Margot ihm zu seinem letzten Geburtstag geschenkt hatte, aus der Tasche, näherte sich den Türen und fotografierte sie nacheinander.
    Anschließend verließ er die Toilette und ging durch den Flur zurück zur Eingangshalle.
    Draußen hatte es wieder angefangen zu schneien.
    »Geht’s besser?«
    Dem Lächeln von Irène Ziegler entnahm er ein aufrichtiges Mitgefühl.
    »Ja.«
    »Wollen wir jetzt die Arbeiter befragen?«
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich sie gern allein vernehmen.«
    Er sah, wie sich das hübsche Gesicht von Capitaine Ziegler verschloss. Von draußen drang die Stimme von Cathy d’Humières herein, die mit den Journalisten sprach: Fetzen von stereotypen Phrasen, die übliche Ausdrucksweise der Technokraten.
    »Werfen Sie einen Blick auf die Graffiti in den Toiletten, dann werden Sie verstehen, weshalb«, sagte er. »In Gegenwart eines Mannes werden sie vielleicht Informationen rauslassen, die sie womöglich für sich behalten würden, wenn eine Frau dabei ist.«
    »In Ordnung. Aber vergessen Sie nicht, dass wir diese Ermittlungen gemeinsam führen, Commandant.«
     
    Als er den Raum betrat, verfolgten ihn die fünf Männer mit Blicken, in denen sich Angst, Müdigkeit und Wut miteinander vermischten. Servaz erinnerte sich, dass sie seit dem Morgen in diesem Zimmer eingesperrt waren. Ganz offensichtlich hatte man ihnen etwas zu essen und zu trinken gebracht. Überreste von Pizzen und Sandwichs, leere Becher und volle Aschenbecher übersäten den großen Konferenztisch. Sie hatten sich schon länger nicht mehr rasiert, und ihr Haar war so struppig wie das von Schiffbrüchigen auf einer unbewohnten Insel, bis auf den Koch, der einen Vollbart trug, dafür aber eine glänzende Glatze und von mehreren Ringen durchstochene Ohrläppchen hatte.
    »Guten Tag«, sagte er.
    Keine Antwort. Aber sie richteten sich unmerklich auf. Er las in ihren Augen, dass sein Aussehen sie verwunderte. Man hatte ihnen

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