Schwarzer Schmetterling
verdüsterte sich.
»Sie haben recht. Das ist eine Frage, die ich mir auch gestellt habe. Irgendjemand lügt.
Und ich würde gern wissen, wer«
, fügte er in einem drohenden Tonfall hinzu.
Er stellte die Tasse so heftig ab, dass sie zusammenzuckten.
»Ich habe alle Bediensteten zu mir zitiert – die Mitarbeiter des Kraftwerks und die Angestellten des Gestüts. Ich habe sie alle einzeln befragt. Vier Stunden habe ich dafür gebraucht. Sie werden mir gewiss glauben, wenn ich Ihnen sage, dass ich sie massiv unter Druck gesetzt habe. In dieser Nacht will niemand etwas gehört haben. Das ist natürlich unmöglich. Ich habe nicht den geringsten Zweifel an der Aufrichtigkeit von Marchand und Hector: Sie hätten den Pferden niemals etwas zuleide getan, und sie stehen schon sehr lange im Dienst der Familie. Es sind redliche, tüchtige Männer, und ich hatte immer ein ausgezeichnetes Verhältnis zu ihnen. Sie gehören sozusagen zur Familie. Sie können sie von Ihrer Liste streichen. Das Gleiche gilt für Hermine. Sie ist ein prima Kerl, und Freedom hat sie vergöttert. Diese Geschichte hat sie niedergeschmettert.«
»Wissen Sie, dass die Wachleute verschwunden sind?«, fragte Servaz.
Lombard runzelte die Stirn.
»Ja. Sie sind die Einzigen, die ich nicht befragt habe.«
»Sie sind zwei, und um das Pferd dort oben aufzuhängen, waren mindestens zwei Personen erforderlich. Und sie sind vorbestraft.«
»Zwei ideale Tatverdächtige«, bemerkte Lombard in zweifelndem Ton.
»Sie scheinen nicht überzeugt zu sein?«
»Ich weiß nicht … Weshalb sollten diese beiden Typen Freedom gerade dort aufhängen, wo sie arbeiten? Die beste Methode, um den Verdacht auf sich zu lenken, oder?«
Servaz nickte langsam.
»Immerhin haben sie sich aus dem Staub gemacht«, wandte er ein.
»Versetzen Sie sich in ihre Lage. Bei ihren Vorstrafen. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber Sie wissen ganz genau, dass die Polizei, sobald sie einen Täter hat, selten lange weiter ermittelt.«
»Wer hat sie eingestellt?«, fragte Ziegler. »Was wissen Sie über sie? Ich wette, dass Sie seit gestern Erkundigungen über sie eingeholt haben.«
»Ja. Der Direktor des Kraftwerks, Marc Morane, hat sie eingestellt. Im Rahmen eines Programms zur beruflichen Wiedereingliederung ehemaliger Häftlinge der JVA Lannemezan.«
»Waren sie bereits in irgendwelche Geschichten im Kraftwerk verwickelt?«
»Morane hat das glaubhaft verneint.«
»Wurden in den letzten Jahren im Kraftwerk oder auf dem Gut Mitarbeiter entlassen?«
Lombard sah sie nacheinander an. Seine Haare, sein Bart und seine blauen Augen ließen ihn wirklich aussehen wie einen verführerischen alten Seebären. Er sah genauso aus wie auf seinen Fotos.
»Mit diesen Einzelheiten befasse ich mich nicht. Für Mitarbeiterführung bin ich nicht zuständig. Ebenso wenig übrigens wie für das Management kleinerer Unternehmenseinheiten wie das Kraftwerk. Aber Sie können selbstverständlich sämtliche Akten über unsere Angestellten und meine Mitarbeiter einsehen. Ich habe entsprechende Weisungen erteilt. Meine Sekretärin wird Ihnen eine Liste mit den Namen und den Telefonnummern zuschicken. Sie können sich an jeden von ihnen wenden. Sollte einer Schwierigkeiten machen, rufen Sie mich an. Ich habe Ihnen gesagt, dass diese Sache für mich von höchster Wichtigkeit ist – und ich selbst stehe Ihnen rund um die Uhr zur Verfügung.« Er zog eine Visitenkarte heraus und hielt sie Ziegler hin. »Im Übrigen haben Sie das Wasserkraftwerk gesehen: Es ist alt und eigentlich nicht rentabel. Wir behalten es nur deshalb, weil es in der Geschichte unseres Unternehmens und unserer Familie eine wichtige Rolle gespielt hat. Marc Morane, den derzeitigen Direktor des Kraftwerks, kenne ich seit meiner Kindheit: Wir waren zusammen auf der Grundschule. Aber ich hatte ihn jahrelang aus den Augen verloren.«
Servaz begriff, dass diese letzte Bemerkung die Beteiligten in eine Rangordnung bringen sollte. Für den Erben des Industrieimperiums war der Kraftwerksdirektor nur ein Mitarbeiter unter anderen, auf der untersten Stufe der Leiter, mehr oder minder auf der gleichen Ebene wie seine Arbeiter.
»Wie viele Tage pro Jahr verbringen Sie hier, Monsieur Lombard?«, fragte die Gendarmin.
»Das ist schwer zu beantworten: Lassen Sie mich nachdenken … Sagen wir zwischen sechs und acht Wochen. Nicht mehr. Natürlich verbringe ich mehr Zeit in meiner Pariser Wohnung als in diesem alten Schloss. Ich bin auch häufig in New
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