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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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Nacht, Papa.«
    Er kehrte auf den Balkon zurück. Der Mond stand über dem Kirchturm von Saint-Sernin. Studenten gingen krakeelend die Straße entlang. Schreie, Lachen, eine lärmende Schar, und schon verschwanden die lustigen Gesellen in der Nacht, wo ihr Gelächter bald erstarb, wie ein fernes Echo seiner eigenen Jugend. Gegen zwei Uhr streckte sich Servaz auf seinem Bett aus und schlief endlich ein.
     
    Am nächsten Tag, Samstag, dem 13 . Dezember, versammelte Servaz einen Teil seiner Ermittlungsgruppe, um eine vorläufige Bilanz über die Ermittlungen im Mordfall des Obdachlosen zu ziehen. Samira Cheung trug an diesem Morgen rot-weiß geringelte Kniestrümpfe, eine hautenge kurze Lederhose und Stiefel mit zwölf Zentimeter hohen Absätzen und einer Reihe Metallschnallen auf der Rückseite. Servaz überlegte, dass sie sich gar nicht verkleiden müsste, wenn sie sich in das örtliche Rotlichtmilieu hätte einschleichen sollen. Dann sagte er sich, dass Pujol und Simeoni, die beiden Schwachköpfe der Abteilung, die seinen Stellvertreter angegriffen hatten, wohl genau das Gleiche dachten. Espérandieu seinerseits trug einen quergestreiften Matrosenpulli, der ihn noch jünger machte und ihn noch weniger wie einen Polizisten aussehen ließ. In einem Moment reinster metaphysischer Angst fragte sich Servaz, ob er eine Ermittlungsgruppe leitete oder in eine geisteswissenschaftliche Fakultät gebeamt worden war. Samira und Vincent hatten ihre Notebooks herausgeholt. Wie immer hatte die Kleine ihren MP 3 -Player umhängen, und Espérandieu fuhr mit einem Finger über sein iPhone – ein schwarzes Gerät, das für Servaz aussah wie ein großes, extrem flaches Handy –, als würde er die Seiten eines Buchs umblättern. Auf seine Bitte hin hob Samira noch einmal die Schwachstellen der Anklage hervor: Es gab keine Beweise für eine direkte Beteiligung der drei Jugendlichen am Tod des Obdachlosen. Die Obduktion hatte ergeben, dass das Opfer im fünfzig Zentimeter tiefen Uferbereich eines Gewässers ertrunken war, nachdem es wahrscheinlich infolge einer Reihe von Schlägen, darunter einem sehr starken gegen den Kopf, ohnmächtig geworden war. Dieses »wahrscheinlich« war besonders misslich. Denn der Obdachlose hatte zum Zeitpunkt der Tat auch 1 , 9  Promille Alkohol im Blut. Servaz und Espérandieu wussten genau, dass die Verteidigung den Obduktionsbericht ausschlachten würde, in dem Bestreben, die Tat als »schwere Körperverletzung mit Todesfolge« darzustellen, ja vielleicht sogar, um in Frage zu stellen, ob die Schläge für das Ertrinken ursächlich waren, das man genauso gut auf die Trunkenheit des Opfers zurückführen könnte. Doch bis jetzt hatten sie dieses Thema gezielt ausgeklammert.
    »Das ist Aufgabe des Gerichts«, beschied Servaz sie endlich. »Beschränken Sie sich in Ihren Berichten auf die Fakten und lassen Sie alle Mutmaßungen beiseite.«
     
    Später am selben Tag betrachtete er perplex die Liste, die ihm seine Tochter hinhielt.
    »Was ist das?«
    »Mein Wunschzettel. Für Weihnachten.«
    »Das alles?«
    »Das ist eine Liste, Papa. Du musst nicht alles kaufen«, zog sie ihn auf.
    Er sah sie an. Der dünne Silberring schmückte noch immer ihre Unterlippe, so wie das rubinfarbene Piercing ihre linke Braue, doch zu den vier Ohrringen an ihrem linken Ohr hatte sich ein fünfter gesellt. Servaz dachte kurz an seine Teamkollegin bei den laufenden Ermittlungen. Er bemerkte auch, dass sich Margot den Kopf gestoßen hatte, denn sie hatte einen blauen Fleck in Höhe des rechten Wangenknochens. Dann überflog er noch einmal die Liste: ein iPod, ein digitaler Bilderrahmen (es handelte sich um einen Rahmen, so erklärte sie ihm, wo gespeicherte Digitalfotos über einen Bildschirm laufen), eine tragbare Spielkonsole der Marke Nintendo DS Lite (mit »Dr. Kawashima: Mehr Gehirn-Jogging«), eine Kompaktkamera (möglichst mit einem Sieben -Megapixel-Sensor, einem Zoom X 3 , einem 2 , 5 -Zoll-Bildschirm und einem Bildstabilisator) und ein Notebook mit einem 17 -Zoll-Bildschirm (und vorzugsweise einem IntelCentrino- 2 -Duo-Prozessor mit zwei GHz, zwei Gigabyte Arbeitsspeicher, einer Festplatte mit 250 Gigabyte und einem CD - und DVD -Laufwerk). Beim iPhone hatte sie gezögert, war aber dann doch zu dem Schluss gekommen, dass das »etwas teuer« wäre. Servaz hatte nicht die leiseste Vorstellung, was diese Geräte kosteten, und er wusste auch nicht, was etwa » zwei Gigabyte Arbeitsspeicher« bedeutete. Aber eines

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