Schwarzer Schwan
oder?«
»Sicher. Wenn aber der Kredit niemals faul geworden wäre?«
»Hm. Hört sich nach einer Fehlentscheidung an. Klassischer Fall von Missmanagement.«
»Oder?«
»Sie meinen …«
»Stellen wir uns einmal vor, der Kursverlust der Anteile sei beabsichtigt gewesen.«
Böhmer machte große Augen. »Wer hat denn das Aktienpaket gekauft?«
»Das ist die Preisfrage.«
»Gut, ich fasse also zusammen: Wenn der Vorstand der RheinBank …«
»Ich habe keine Namen genannt!«, widersprach Hanna.
»Wenn also ein Vorstand irgendeines Kreditinstituts auf Kosten seines Unternehmens Geschäfte zugunsten Dritter macht, riecht das nach Untreue. Die Staatsanwaltschaft mag so etwas gar nicht gern.«
»Nicht wahr?«
»Jetzt bitte das Ganze noch einmal mit allen Namen und Details.«
»Finden Sie heraus, wer sich hinter einer Stiftung namens Pelican Trust verbirgt.«
»Aber wie?«
»Das ist Ihr Job, Herr Böhmer.«
»Kommen Sie, Hanna – ich darf doch Hanna sagen?« Wieder dieses Zwinkern. »Wir schreiben das Buch gemeinsam und ich beteilige Sie am Honorar. Ist das ein Deal?« Böhmer hob sein Glas.
Hanna stieß mit ihm an. Es ging ihr schon erheblich besser. Ein Stück vom Frust war abgelassen. Böhmers Bucherlöse waren ihr egal. Doch es gefiel ihr, den Journalisten auf die Spur gebracht zu haben.
Natürlich ist das alles eine Schnapsidee, dachte Hanna. Niemals würde ich dafür den Job riskieren.
Aber für einen Moment hatte sie das Gefühl, mehr Zivilcourage zu besitzen als die gesamte Banker-Bande draußen auf dem Gehsteig.
16.
Es war kurz nach Mitternacht, als Willi Böhmer eine Parklücke für seinen Wagen fand, zwei Blocks von seiner Haustür entfernt im Halteverbot. Bis zum frühen Vormittag hatte er kein Knöllchen zu befürchten.
Böhmer war angetrunken, aber nicht blau. Eine herrlich milde Nacht. Er klemmte seine Tasche unter den Arm und leerte den Briefkasten. Lottoreklame, Arztrechnung, eine Benachrichtigungskarte der Paketpost. Böhmer stieg die Treppe hoch. Vor seiner Tür im zweiten Stock lag ein Karton. Offenbar hatte ein Nachbar die Postsendung für ihn angenommen und hier abgestellt. Mit dem Fuß schob Böhmer das Paket in die Wohnung.
Er riss es auf. Bücher. Mindestens zwanzig Exemplare seines eigenen Werks, das nun verramscht werden sollte.
Sofort war seine Stimmung wieder im Keller.
Keine Angst vor Risiko – Geldanlage für Pfiffige war im Herbst 2008 erschienen, unmittelbar bevor die Blase auf dem Finanzmarkt platzte und alles, was Böhmer in zwölf Kapiteln angepriesen hatte, mit einem Knall obsolet war. Böhmer gab dem Verlag die Schuld am schlechten Timing, denn die Penner hätten das Buch auch ein halbes Jahr früher auf den Markt bringen können. Dann wäre zumindest die Startauflage verkauft worden.
Böhmer nahm ein Bier aus dem Kühlschrank. Er hatte fest an den schnellen Nebenverdienst geglaubt. Das Buch zu schreiben, war so simpel gewesen. Helmut Frantzen, der Kommunikationschef der RheinBank AG, hatte ihm nach einigem Nachfragen einen jungen Mitarbeiter vermittelt, der ihm die neuesten Produkte in rosigen Farben nahebrachte. Eins-a-Prospektprosa für gierige Kleinanleger, wie Verkäufer das eben so draufhatten. Böhmer hatte nur seinen Rekorder mitlaufen lassen und den Text zu Hause abtippen müssen: Derivate, Zertifikate, strukturierte Wertpapiere auf Basis US-amerikanischer Immobilienkredite …
Idiotensichere Geldanlagen, angeblich.
Natürlich hatte selbst der Vertreterjüngling der Rhein-Bank nicht verstanden, wie alles wirklich funktionierte – beziehungsweise nicht funktionierte, denn binnen Wochen waren aus den Eins-a-Produkten Schrottpapiere geworden, idiotensichere Geldvernichtung, und Willi Böhmers Arbeit war umsonst gewesen.
Hinterher war jeder schlauer. Man fasste sein Buch nicht einmal mit spitzen Fingern an. Es wurde nicht beworben, blieb in den Läden liegen, und in den Wochen nach Lehman-Pleite und Münchner-Hypo-Estate-Zusammenbruch hatten es die Buchhändler eilig, die vorrätigen Exemplare zu remittieren. Im Nachhinein konnte Böhmer sogar froh darüber sein, dass keine Zeitung seine Anlagetipps besprochen hatte.
Er trank die Flasche leer und rülpste. Magensäure brannte unter dem Brustbein. Was ihm noch mehr zu schaffen machte als der Reinfall mit dem Buch, war die miese Stimmung, die derzeit in der Redaktion herrschte. Gerüchte sahen eine neue Entlassungswelle anrollen.
Noch ein Sachbuch – dazu hatte er wirklich keinen Nerv mehr.
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