Schwarzer Schwan
Uhrzeit.
Im Park zwitscherte ein Buchfink. Der Wind trug den Geruch nach frisch gemähtem Gras herüber. Die Sonne ließ Sträucher und Bäume in den unterschiedlichsten Grüntönen leuchten. Ein angenehmer Ort. Und doch war hier ein Mensch ermordet worden.
Endlich bekommt meine Arbeit einen Sinn, dachte Dominik. Und Anna Winkler zeigte keine Vorbehalte gegen ihn, keine Anspielung auf den missglückten Abend damals in der Altstadt. Die Brandleiche im Polo – möglicherweise sein Sprungbrett für eine Umsetzung ins KK 11, die er sich mehr denn je wünschte.
Anna platzierte sich hinter das Steuer des zivil lackierten Dienstwagens, mit dem sie an den Tatort gekommen war, und sie fuhren los, zurück zur Festung.
»Vermutlich stinke ich nach verbranntem Autowrack«, sagte Anna, am Ärmel ihrer Bluse schnüffelnd.
»Ich liebe den Geruch von Dioxin am Nachmittag!«
Die Kollegin verzog ihr Gesicht.
Dominik grinste. »Nur ein Scherz. Du duftest wie eine Sommerwiese.«
»Idiot.«
Annas Mobiltelefon ließ einen Klingelton hören, der Dominik an Star Wars erinnerte: Raumschiffe feuerten ihre Laserkanonen ab.
Sie kramte das Handy mit einer Hand hervor und meldete sich, den Blick nicht von der Straße nehmend. Kurz darauf reichte sie das Gerät an Dominik weiter. »Wir haben den Halter.«
Während Anna wendete, ließ sich Dominik von Thilo Becker, dem MK-Leiter, die Daten diktieren. Der Polo-Besitzer hatte bei der Post einen Nachsendeantrag gestellt. Er hieß Patrick Neidel und war in die Wohnung einer Liliane Oppers in Ratingen-Lintorf eingezogen. Dominik kritzelte Namen und Adresse in sein Notizbuch.
»Hat er eine Akte bei uns?«, wollte er wissen.
»Nein«, antwortete Becker. »Weder er noch seine Freundin. Unbeschriebene Blätter, zumindest bis jetzt.«
Dominik beendete das Telefonat. Anna gab Gas. Der Autobahnzubringer und das kurze Stück der A 52 in Richtung Essen waren frei von Staus, der Feierabendverkehr hatte noch nicht eingesetzt.
»Gefällt’s dir nicht mehr bei den Betrügern?«, fragte Anna.
»Ein wenig Abwechslung kann nicht schaden.«
»Gleich nach unserem Telefonat kam heute früh die Brandleiche rein. Ich hab dich dem MK-Leiter empfohlen.«
»Danke. Dafür hast du etwas gut bei mir.«
»Benimm dich anständig und mach mir keine Schande. Das würde schon reichen.«
24.
Es gibt Viertel, in denen man sich fragt, ob die Leute freiwillig darin wohnten. Die Adresse in Ratingen erwies sich als heruntergekommene, mehrgeschossige Mietskaserne, die etwas abseits der Straße stand. Identisch aussehende Wohnblöcke bildeten die Nachbarschaft.
Anna und Dominik überquerten den asphaltierten Hof. Ein junger Mann bastelte an seinem Motorroller. Zwei Mädchen droschen einen Fußball in gleichförmigem Rhythmus laut schallend gegen die Garagenwand – tack-tack, tack-tack. Neben der Haustür drei Reihen von Klingelschildern, in der Beschriftung ähnelte keines dem anderen, zum Teil waren sie mehrfach überklebt.
Dominik fand den Namen Oppers und drückte den Knopf. Er schwitzte in der Nachmittagssonne und war froh, seine Sonnenbrille dabeizuhaben.
Tack-tack, tack-tack.
Dominik spürte, wie ihm der Ort auf die Nerven ging. Er probierte es noch einmal – die Sprechanlage gab keinen Mucks von sich.
Eine zierliche, junge Frau kam von den Mülltonnen herüber. Sie trug Shorts und T-Shirt, das blonde Haar zum Pferdeschwanz gebunden. »Die Klingeln funktionieren nicht«, sagte sie. »Zu wem wollen Sie denn?«
»Zu Patrick Neidel oder Liliane Oppers«, antwortete Anna.
»Um was geht es denn?«
»Darüber können wir Ihnen keine Auskunft geben.«
»Ich bin Lilly Oppers.«
Dominik setzte ein Lächeln auf und zeigte seine Marke. »Dominik Roth von der Düsseldorfer Kripo. Und das ist meine Kollegin Anna Winkler.«
Die junge Frau machte große Augen und fasste sich an den Ausschnitt ihres T-Shirts. »Ist etwas mit Patrick?«
Dominik und Anna wechselten unwillkürlich einen Blick.
»Vielleicht sprechen wir besser in Ihrer Wohnung darüber«, antwortete Anna.
Lilly schloss nervös die Tür auf.
Das Innere der Aufzugkabine war mit Graffiti übersät, gesprühte Symbole und in das Wandblech gekratzte Inschriften obszönen Inhalts.
»Bald ziehen wir von hier weg«, sagte die junge Frau, als müsste sie sich rechtfertigen. »In diesem Gemäuer ist ständig etwas kaputt. Mal der Aufzug, dann die Klingelanlage. Fürchterlich!«
Sie erwähnte, wie schwer es für sie und ihren Freund trotz eines
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