Schwarzer Schwan
bewerkstelligen?«
»Es gibt Berater, die mir dringend nahelegen, Kundengeschäft und Investmentbereich prinzipiell in unterschiedliche Banken aufzuspalten. Die Institute deutlich zu verkleinern. Damit die Steuerzahler nicht wieder mit Milliardensummen einspringen müssen, weil eine Pleitebank als systemrelevant gilt.«
»Mit Verlaub, Frau Bundeskanzlerin, aber so etwas werden wir nicht mittragen. Ihre Regierung hat bereits einen höheren Eigenkapitalanteil vorgeschrieben und die Bankenaufsicht verschärft. Wir haben uns nicht darüber beschwert. Dabei muss es aber bleiben.«
»Sie sagen selbst, wir müssen mit der nächsten Krise rechnen.«
»Ob eine große Bank zerbricht oder drei, vier kleine – der Effekt ist der gleiche. Das Vertrauen geht flöten, die Menschen leeren ihre Konten, Banken leihen sich untereinander nichts mehr und der Crash ist da, wie gehabt. Gibt es nur noch kleine Banken, muss man den Nachteil in Kauf nehmen, dass sie auch in guten Zeiten kaum handlungsfähig sind. Nein, eine Aufteilung der RheinBank AG kommt nicht infrage. Im Gegenteil. Wir müssen weiter wachsen. Alles andere wäre das Ende unserer internationalen Konkurrenzfähigkeit.«
Die Kanzlerin schüttelte energisch den Kopf. »Für die Menschen in Deutschland sage ich ganz klar: Wir müssen die Probleme gemeinsam lösen!«
Dingendorff wartete ein paar Sekunden, dann fragte er in aller Ruhe: »Warum haben Sie mich um dieses Treffen gebeten, Frau Bundeskanzlerin?«
»Ganz einfach. Angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, möchte ich Sie und Ihre Freunde in der Wirtschaft an meiner Seite wissen.«
Dingendorff nippte von seinem Wasser.
»Mein Kurs ist alternativlos.«
Dingendorff lächelte.
Die Kanzlerin legte die Fingerspitzen aneinander. Frantzen sah, wie es in ihr arbeitete. »Ich möchte nicht noch einmal in einen Abgrund blicken wie in der Nacht, als wir die Münchner Hypo Estate retten mussten.«
Es piepste, die Kanzlerin zog ihr Mobiltelefon aus der linken Jackentasche und kontrollierte das Display.
»Bitte entschuldigen Sie mich für einen Moment«, sagte sie schroff und stand auf. »Zwei Minuten.«
Frantzen schmierte sich ein Marmeladenbrötchen. Ihm war klar, in welchem Dilemma die Kanzlerin steckte. Nachdem ihre Partei in Baden-Württemberg schwer abgestürzt war, kündigten sich weitere Landtagswahlen an. Die Umfragewerte für die Union waren schlecht wie nie. Die Frau stand im Kreuzfeuer der Opposition und der Gegner im eigenen Lager. Die einen warfen ihr einen falschen Kurs vor, die anderen monierten Unentschlossenheit.
Mit vollem Mund sagte Frantzen: »Sie sieht in dir einen Gegner und trotzdem bittet sie um Unterstützung.«
»Das nennt man Zwickmühle.«
»Wetten, dass sie auch bei Ackermann war und der hat sie abblitzen lassen?«
Dingendorff goss sich Wasser nach. Von dem Essen rührte er nichts an. Ein wahrer Diätfreak, dachte Frantzen, schon immer gewesen.
Er leckte die Marmelade von seinem Messer. »Mutti kriegt es nicht gebacken. Vielleicht war es falsch, auf Schwarz-Gelb zu setzen. Mit Rot-Grün sind wir früher prima gefahren.«
»Richtig, Helmut, aber es sind noch zwei Jahre bis zur nächsten Bundestagswahl. Und wer könnte die Kanzlerin bis dahin ersetzen? Siehst du jemanden?«
Frantzen zuckte mit den Schultern. »Der Niedersachse ist beliebt.«
Dingendorff deutete ein Kopfschütteln an.
»Ich bleib dabei, wir verschwenden unsere Zeit.«
»Warte ab, Helmut. Mal sehen, was sie uns bieten kann.«
Die Tür ging auf, die Kanzlerin kam zurück und nahm wieder Platz. Ihre Miene hatte sich verdüstert, senkrechte Falten verlängerten die Mundwinkel nach unten. Ihr Blick fixierte den Vorstandsvorsitzenden der RheinBank AG.
»Gratuliere«, sagte sie schnippisch. »Der Bundespräsident wird noch heute seinen Rücktritt vermelden. Sie haben gewonnen, Herr Dingendorff. Ich konnte ihn nicht davon abhalten. Das ist ja auch allerhand, was Sie gegen ihn mobilisiert haben.«
»Ich?«
»Sie und Ihre Seilschaften. Da wird sein Pressesprecher abgeworben, damit es heißt, es gebe Querelen im Präsidialamt. Dann bricht künstliche Empörung aus wegen einer Bemerkung zu Afghanistan. Subtile Nadelstiche von allen Seiten. Ich verstehe, dass dem guten Mann das alles zu viel geworden ist.«
Frantzen kontrollierte die Uhrzeit. Das wird nichts mehr, Mutti. Es sei denn, du lässt Frankreich warten.
»Gut, keine Aufteilung der Banken«, sagte sie.
»Und die Börsenumsatzsteuer vergessen wir am
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