Schwarzer Skorpion - Thriller (German Edition)
einem Film. Am späten Nachmittag schwang sie sich dann auf ihr Mountainbike, um die aufgestaute Energie abzubauen. Früher hatte sie diese Energien, die sie ständig vorwärtstrieben, auf ganz andere Art und Weise abgebaut. Aber zuletzt hatte sie sich hier auf Mallorca ins Abseits manövriert und manchmal fragte sich Ruth, ob es eine gute Entscheidung gewesen war, den Job in Sonjas Tapasbar anzunehmen.
Doch es gab kein Zurück mehr. Brian Farruk, ihr früherer Boss, würde nur laut auflachen, wenn sie wieder bei ihm aufkreuzte. Sie hatte einen wichtigen Job versaut und das würde er ihr nie verzeihen. Doch dann erinnerte sie sich an das Telefonat von David Stein, das sie mitgehört hatte, und langsam entspannte sie sich. Als sie den Berggipfel erreicht hatte, zu dem sie hochgeradelt war, ließ sie der kühle Wind frösteln. Sie verschnaufte ein wenig, sah den zerklüfteten Berghang hinunter, der weit unten steil zum Meer hin abfiel. Nicht hier stand das weiße Haus, sondern weit weg, auf der anderen Seite des tiefblauen Mittelmeeres.
Als sie in der Dämmerung zurückfuhr, hatte sie einen Entschluss gefasst. In ihrem kleinen, engen Zimmer holte sie eine Tafel Schokolade aus ihrem abgewetzten Trolleykoffer. Sie schob den Pappkarton auf und nahm das Smartphone heraus, das sie dort versteckt hatte. Die Nummer hatte sie schon einige Zeit nicht angerufen, doch sie war für immer in ihrem Gedächtnis gespeichert.
„Hallo, ich brauche wieder ein Paket.“
„Selbstabholer oder sollen wir es zustellen?“
„Selbstabholer, aber ich möchte es zuvor testen.“
„Natürlich, kein Problem. Wir müssen nur einen Termin vereinbaren.“
„Haben Sie schon mit dem Boss gesprochen?“
„Natürlich. Er hat mir auch mitgeteilt, dass Sie ausgeschieden sind und jetzt freiberuflich arbeiten.“
„Genauso ist es.“
„Wie sieht es mit der Bezahlung aus? Früher hat ja Ihr Boss die Garantie übernommen.“
„Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Ich erhalte in Kürze eine Million Dollar.“
5. Rif-Atlas – geheimes Zeltlager
Tag 2, abends
Das Gift der Skorpione hatte das Blut von Henri Duprés schwarz gefärbt. Immer wenn er an seiner Stärke zweifelte, schnitt er sich mit einem Messer in den rechten Unterarm und betrachtete das Blut, das aus dieser Wunde hervortropfte. Es war schwarz, jawohl, so pechschwarz wie die Nacht und jeden, der etwas anderes sagte, würde er töten. Er unterbrach seine Arbeit am Laptop und betrachtete nachdenklich seinen von unzähligen Schnitten vernarbten rechten Arm. Wieder musste er daran denken, dass er bereits den Hauch des Todes gespürt hatte. Damals hatte ihn Marie gerettet. Marie, die umsonst auf ihn gewartet hatte.
Seine Gedanken schweiften einige Jahre zurück, als er mit seiner Spezialeinheit in einen Hinterhalt geraten war und seine Kameraden ihn einfach zurückgelassen hatten. Damals wäre er ohne Marie verloren gewesen. Er versuchte, sich Maries Lächeln vorzustellen und wollte ihre zarte Hand spüren, mit der sie ihm immer über die Wange gestrichen hatte. Mit Marie wollte er sich verloben, wenn er wieder zurückkommen würde, aber dass es jemals dazu kam, war in seiner Situation mehr als unwahrscheinlich. Marie allerdings würde sich schnell trösten und einfach einen anderen heiraten. Schon morgen würde sie ihn vergessen.
Doch vielleicht gab es Marie auch überhaupt nicht und er phantasierte sich nur eine heile Welt zusammen, um den Horror auszuhalten. Vielleicht war Marie nur eines der vielen namenlosen Mädchen, die er in den kurzen Pausen zwischen seinen Einsätzen kennengelernt hatte. Vielleicht war Marie nur der Schattenname für alle diese Frauen, die er je geliebt hatte. Verbissen hielt er deshalb die Augen geschlossen, denn er wollte diese zarte Berührung von Maries Hand auf keinen Fall vergessen. So zählte er die Sekunden, bis sich der leichte Druck ihrer Hand nach oben verlagerte, bis hin zu seinen Augenlidern. Jetzt wurde diese Berührung zu einem Kitzeln, doch er wusste, dass er nur mit geschlossenen Augen das Bild von Marie festhalten konnte.
„Die Amerikaner haben dich zurückgelassen!“, hörte er jetzt eine Stimme an seinem Ohr, die nicht von Marie stammte. „Sie haben geglaubt, du bist tot. Aber du hast überlebt. Als Ungläubiger bist du vom Pech verfolgt!“
Er versuchte den Atem so flach wie möglich zu halten und Maries Hände weiter auf seinem Gesicht zu spüren. Doch jetzt waren ihre Hände plötzlich überall, fast wie bei einer
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