Schwarzer Sonntag
auch, aber er händigte sie ihm nicht aus, sondern sagte, er brauche die Erlaubnis seines Vorgesetzten. Normalerweise wäre das nur auf eine weitere Bestechung hinausgelaufen, aber Yoffee traute seinen Papieren nicht recht. Er haute dem Kerl eins über den Schädel, schnappte sich die Schachtel und sprang in einen Mini-Cooper, den er draußen geparkt hatte. Alles ging gut, bis er von zwei Streifenwagen an der Ecke Rue Unesco gestoppt wurde. Er konnte auf den Bürgersteig ausweichen, aber er bekam doch mehrere Treffer ab. Auf der Ramlet el-Baida hatte er schon einen ziemlichen Vorsprung. Jacoby, der unseren Hubschrauber flog, war schon zur Stelle, und Yoffee stieg, während der Wagen noch fuhr, durchs Schiebedach, und wir zogen ihn rauf. Zurück sind wir dann bei Dunkelheit geflogen, in etwa dreißig Meter Höhe. Der Hubschrauber hatte das neue, dem Gelände folgende Autopilot-System, bei dem man sich um nichts mehr zu kümmern braucht.«
»Sie waren also dabei?«
»Jawohl, Major Kabakov. Yoffee schuldet mir Geld.«
Kabakov stellte sich vor, wie der schwarze Hubschrauber bei Nacht über die Hügel drosch. »Ist das nicht reichlich weit für einen Hubschrauber?«
»Wir mußten in Gesher Haziv zwischenlanden.«
»Haben die Libanesen ihnen Jäger nachgeschickt?«
»Nach einer Weile schon. Es dauerte ein bißchen, bis sich die Sache rumgesprochen hatte. 24 Minuten, nachdem die Polizei den Hubschrauber entdeckt hatte, waren wir wieder in Israel.«
Kabakov wollte nicht zeigen, wie sehr ihn der Inhalt der Schachtel enttäuschte - nicht nachdem drei Männer ihr Leben riskiert hatten, um sie zu beschaffen. In Tel Aviv mußte man ihn für einen Trottel halten.
»Ich danke Ihnen sehr für Ihre ausgezeichnete Leistung, Hauptmann Reik. Und bestellen Sie das bitte auch Yoffee und Jacoby. Und nun gehen Sie schlafen. Das ist ein Befehl.«
Kabakov und Weisman saßen am Tisch, vor sich Alis Hinterlassenschaft. Weisman wahrte taktvolles Schweigen. Persönliche Papiere gleich welcher Art fehlten gänzlich. Nicht einmal die überall bei der El-Fatah verbreitete Fibel Politischer und bewaffneter Kampf war unter den Sachen. Man hatte Alis Habseligkeiten säuberlich gefilzt. Kabakov betrachtete die Zeitschriften. Zwei Nummern von Al-Tali’ah, einer ägyptischen Monatsschrift. Und hier - in einem Interview - war etwas unterstrichen: » ... das Gerede von der Stärke des israelischen Geheimdienstes ist ein Mythos. Was seinen Geheimdienst betrifft, ist Israel keineswegs sonderlich fortgeschritten.« Kabakov fauchte wütend. Abu Ali verspottete ihn noch aus dem Grabe.
Ferner waren da einige ältere Ausgaben der Beiruter Zeitung Al-Hawadess. Einige Nummern von Paris Match. Ein zerlesenes Exemplar der Sports Illustrated vom 21. Januar 1974. Kabakov betrachtete es mit gerunzelter Stirn. Er nahm es in die Hand. Unter den Zeitungen und Zeitschriften war es die einzige in englischer Sprache. Auf dem Umschlag ein dunkler Fleck, vermutlich Kaffee. Er blätterte die Zeitschrift durch, einmal, zweimal. Meist war von Football die Rede. Die Araber sind begeisterte Fußballspieler. Aber der Hauptartikel handelte von - Kabakovs Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Fasil. München. Sport. Auf dem Tonband hatte es geheißen: »Möge nie wieder ein Jahr mit Blutvergießen und Leid beginnen.«
Weisman blickte ruckartig auf, als er Kabakov plötzlich fragen hörte: »Was wissen Sie über dieses Super Bowl-Spiel, Oberst Weisman?«
FBI-Direktor John Baker nahm seine Brille ab und massierte seinen Nasenrücken. »Eine sehr kühne Hypothese, meine Herren.«
Corley rutschte auf seinem Stuhl hin und her.
Kabakov war es leid, in Bakers ausdrucksloses Gesicht zu blikken, er war es leid, zu hören, mit welcher Behutsamkeit Corley sich ausdrückte, wenn er mit seinem Vorgesetzten sprach. »Das ist keine bloße Hypothese. Bedenken Sie die Tatsachen -«
»Ich weiß, ich weiß, Major Kabakov. Sie haben das alles schon mehrfach geäußert. Sie nehmen an, man habe es auf das Super Bowl-Spiel abgesehen, weil dieser Kerl - wie heißt er doch gleich
- Fasil, den Anschlag auf das Olympische Dorf in München organisiert hat. Und weil auf einem Tonband, das Sie in Beirut erbeutet haben, von Blutvergießen und Leid zu Beginn des Jahres die Rede ist. Und weil der Präsident sich das Spiel ansehen will.« Es war eine skeptische Aufzählung.
»Und weil ein solcher Schlag wegen der direkten Fernsehübertragung einen gewaltigen Schock auslösen würde«, setzte Corley hinzu.
»Aber alle Ihre
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