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Schwarzer Sonntag

Schwarzer Sonntag

Titel: Schwarzer Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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ist das?«
»Ich bin nicht sicher«, sagte Dahlia und holte tief Luft.
»Aber ich«, sagte Fasil und strich sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nase. »Ein dreckiger israelischer Feigling, der nachts kommt und tötet, tötet, tötet - Frauen, Kinder, es ist ihm ganz egal. Dieser Schweinehund hat unseren Chef umgebracht. Und er hat viele andere umgebracht. Und fast hätte er auch Dahlia umgebracht.« Instinktiv berührte Fasil die Narbe von dem Streifschuß auf seiner Wange, den er bei dem Überfall in Beirut abbekommen hatte.
Landers Hauptantriebsquelle war Haß, aber sein Haß wurzelte in verletzter Eitelkeit und krankhafter Wut. Hier sprach gelernter, bewußter Haß, und obwohl er nicht imstande gewesen wäre, den Unterschied zu definieren, obwohl er den Unterschied nur unbewußt spürte, war Lander unbehaglich dabei zumute. »Vielleicht wird er sterben«, sagte er.
»O ja«, sagte Fasil. »Er wird.«

10
    K ABAKOV LAG in der Nacht stundenlang wach. Die Geräusche im Krankenhaus beschränkten sich jetzt auf das Rascheln von Nylonkitteln, das Quietschen weicher Gummisohlen auf gebohnertem Linoleum und die unartikulierten Rufe eines älteren Patienten, der ein paar Zimmer weiter Jesus anflehte. Kabakov versuchte sich zu beherrschen, wie schon so oft, wenn er wach gelegen und dem nächtlichen Hin und Her in einem Krankenhausflur gelauscht hatte. Uns allen, dachte er, drohen in Krankenhäusern die alten Kindheitsqualen, die nicht gehorchen wollenden Schließmuskeln, das Verlangen zu weinen.
    Kabakov hielt nichts von Begriffen wie Tapferkeit und Feigheit. Wenn er überhaupt über so etwas nachdachte, dann als Pragmatiker. Man sagte ihm allerlei Tugenden nach, von denen es manche, wie er glaubte, gar nicht gab. Daß seine Männer ihn fürchteten, war nützlich, weil sie deshalb besser spurten, aber es erfüllte ihn keineswegs mit Stolz. Zu viele waren an seiner Seite gestorben.
    Er hatte Mut gesehen. Er würde es so definieren: Man tat das, was notwendig war, bedingungslos. Das Leitwort hieß jedoch notwendig, nicht bedingungslos. Er hatte zwei oder drei Männer gekannt, denen Furcht völlig fremd gewesen war. Sie hatten alle einen Knacks gehabt. Furcht konnte kontrolliert und kanalisiert werden. Das war das Geheimnis des erfolgreichen Soldaten.
    Kabakov hätte gelacht, wenn man ihn als Idealisten bezeichnet hätte, aber er lebte in jenem Zwiespalt, der an den Kern dessen rührt, was man jüdisch nennt. Er war überaus pragmatisch in seinen Anschauungen über menschliches Verhalten und spürte doch ganz tief in seinem Herzen den weiß glühenden Finger Gottes.
    Kabakov war kein frommer Mann im landläufigen Sinne. Er war nicht in den Riten des jüdischen Glaubens bewandert. Aber er hatte an jedem Tag in seinem Leben gewußt, daß er Jude war. Er glaubte an Israel. Er würde sein Bestes tun und alles andere den Rabbis überlassen.
    Unter dem Pflaster auf seinen Rippen juckte es. Er stellte fest, daß er sich nur etwas herumzudrehen brauchte, damit das Pflaster an der juckenden Stelle zog. Es war nicht so befriedigend wie Kratzen, aber es half. Der Arzt, dieser junge Doktor Soundso, hatte mehrmals nach seinen alten Narben gefragt. Kabakov lachte im stillen, als er sich daran erinnerte, wie die Neugier des Arztes Moschevsky beleidigt hatte. Moschevsky hatte dem Arzt erklärt, Kabakov sei Rennfahrer, ein Profi. Er hatte dem Arzt nichts erzählt von dem Kampf am Mitla-Paß 1956, nichts von dem syrischen Bunker bei Rafid 1967, nichts von den anderen, ungewöhnlicheren Schlachtfeldern, die Kabakov gezeichnet hatten - ein Hoteldach in Tripolis, die Kais im Hafen von Kreta, wo die Kugeln die Planken zerfetzten -, nichts von all den Plätzen, wo arabische Terroristen im Hinterhalt gelauert hatten.
    Bei den Fragen des Arztes nach den alten Wunden war ihm Rachel eingefallen. Jetzt, in der Nacht, dachte er daran, wie er sie kennengelernt hatte.
    9. Juni 1967: Er und Moschevsky lagen auf Bahren vor einem Feldlazarett in Galiläa. Der Wind blies den Sand gegen die Zeltwände, und das Brummen des Generators übertönte das Stöhnen der Verwundeten. Ein Arzt, der wie ein Ibis über die Bahren hinwegstelzte und die unangenehme Aufgabe hatte, die Männer nach ihren Überlebenschancen zu sortieren. Kabakov und Moschevsky, beide von Gewehrschüssen getroffen, als sie in der Dunkelheit die Golan-Höhen gestürmt hatten, wurden in das Feldlazarett, in das Licht getragen, wo neben der OPLampe Notlaternen schaukelten. Die Injektionsnadel

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