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Schwarzer Sonntag

Schwarzer Sonntag

Titel: Schwarzer Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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enthalten.
Er war gerade dabei, mit Hilfe dieser Erinnerungsfetzen ein Telegramm an das Hauptquartier des Mossad aufzusetzen, als es ihm wieder einfiel. Syrien 1971. Ein Agent des Mossad war bei einer Explosion in einem Haus in Damaskus ums Leben gekommen. Der Sprengsatz war nicht sehr stark gewesen, hatte aber den Kühlschrank völlig zertrümmert. Eine zufällige Ähnlichkeit? Kabakov rief das israelische Konsulat an und diktierte das Telegramm. Der Funkmann wies darauf hin, daß es in Tel Aviv vier Uhr morgens sei.
»Macht nichts, macht nichts«, sagte Kabakov. »Wir arbeiten immer. Bringen Sie das Telegramm auf den Weg!«
    Ein eisiger Dezember-Regen wehte Moschevsky ins Gesicht, als er an der Ecke auf ein Taxi wartete. Er ließ drei Dodges vorbeifahren und erblickte schließlich das, was er suchte, einen großen Checker, der sich durch das morgendliche Verkehrsgewühl seinen Weg bahnte. Er brauchte einen besonders geräumigen Wagen, damit Kabakov sein verletztes Bein ausstrecken konnte. Moschevsky wies den Fahrer an, vor Rachels Apartmenthaus in der Mitte des Häuserblocks zu halten. Kabakov kam herausgehumpelt und kletterte neben ihm ins Auto. Er nannte dem Fahrer die Adresse des israelischen Konsulats.
    Kabakov hatte Rachels Anweisungen befolgt und sich ausgeruht. Jetzt ging es wieder los. Er hätte Botschafter Tell in Washington von der Wohnung aus anrufen können, aber bei dieser Sache brauchte er das sicherste Telefon, das es gab - ein Telefon mit Scrambler. Er hatte beschlossen, Tel Aviv zu bitten, auf das State Department einzuwirken, damit es einen Vorstoß bei den Russen unternahm. Kabakovs Bitte mußte zuvor mit Tell abgesprochen werden. Zwar verletzte es seinen beruflichen Stolz, die Russen um Hilfe zu bitten. Aber im Augenblick konnte Kabakov sich beruflichen Stolz nicht leisten. Das wußte und akzeptierte er, aber es paßte ihm nicht.
    Seit dem Frühjahr 1971 besaß das Komitet Gosudarstwennoj Besopasnosti, der berüchtigte KGB, eine Sonderabteilung, die dem »Schwarzen September« über Geheimdienstkanäle der ElFatah technischen Beistand leistet. Das war die Quelle, die Kabakov anzapfen wollte. Er wußte, daß die Russen Israel niemals helfen würden, doch er glaubte, angesichts der neuen Ost-WestEntspannung würden sie vielleicht mit den Vereinigten Staaten zusammenarbeiten. Die Bitte an Moskau mußte von den Amerikanern kommen, aber ohne Zustimmung Tel Avivs konnte Kabakov diesen Schritt nicht vorschlagen. Gerade weil er es so sehr haßte, um etwas zu bitten, würde er das Telegramm nach Tel Aviv selbst unterzeichnen, statt Tell die Hauptverantwortung zuzuschieben.
    Kabakov beschloß zu schwören, daß der Plastiksprengstoff aus der Sowjet-Union kam, ob es nun stimmte oder nicht. Vielleicht würden die Amerikaner es ebenfalls beschwören. Dann lag der Schwarze Peter bei den Russen.
    Warum eine solche Menge von Sprengstoff? Deutete das darauf hin, daß der »Schwarze September« in diesem Land eine ganz bestimmte Gelegenheit im Auge hatte? Hier, in diesem Punkt würde der KGB vielleicht helfen.
    Die amerikanische Zelle des »Schwarzen September« hatte sich inzwischen bestimmt vollständig abgeriegelt und auch die Verbindung zur Guerillaführung in Beirut gekappt. Es würde verdammt schwer sein, sie aufzuspüren. Der Schock, den das Phantombild ausgelöst hatte, würde die Terroristen noch tiefer in ihren Bau treiben. Sie mußten ganz in der Nähe sein - sie hatten nach der Explosion zu schnell reagiert. Warum hatte dieser verfluchte Corley bloß das Krankenhaus nicht genügend überwachen lassen? Dieser verfluchte, pfeifenrauchende Saukerl!
    Was war im Hauptquartier des »Schwarzen September« in Beirut geplant worden, und wer war dabei gewesen? Nadscheer. Nadscheer war tot. Die Frau. Sie hielt sich versteckt. Abu Ali? Ali war tot. Man konnte nicht mehr feststellen, ob Ali bei den Planungen dabei gewesen war, aber es war sehr wahrscheinlich, denn Ali gehörte zu den wenigen Männern auf der Welt, denen Nadscheer vertraut hatte. Ali war Psychologe gewesen. Aber Ali war auch noch vieles andere gewesen. Wozu brauchten sie einen Psychologen? Ali würde es nie mehr erzählen können.
    Wer war der Amerikaner? Wer war der Libanese, der den Sprengstoff eingeschmuggelt hatte? Wer hatte Muzi in die Luft gejagt? War es die Frau, die er in Beirut gesehen hatte - die Frau, die versucht hatte, ihn im Krankenhaus zu töten?
    Der Taxifahrer fuhr so schnell es das nasse Pflaster erlaubte. Er sauste genüßlich

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