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Schwarzer Sonntag

Schwarzer Sonntag

Titel: Schwarzer Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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und wartete. Das Rehabilitationszentrum für Rauschgiftsüchtige weckte in ihr viele Erinnerungen. Sie sah sich in dem freundlichen kleinen, von Laien gestrichenen und mit zusammengesuchten Möbeln eingerichteten Raum um, und sie dachte an einige der kaputten und verzweifelten Typen, denen sie hier zu helfen versucht hatte, und an das, was sie ihr erzählt hatten. Solcher Erinnerungen wegen hatte sie dieses Zimmer als Treffpunkt mit Eddie Stiles gewählt.
    An der Tür klopfte es leicht, und Stiles kam herein, ein schmaler Mann mit schütterem Haar und unruhigem Blick. Er hatte sich eigens zu dieser Gelegenheit rasiert. An seinem Kinn klebte ein Pflaster. Stiles lächelte befangen und drehte seine Mütze in den Händen.
    »Setzen Sie sich, Eddie. Es geht Ihnen offenbar gut.« »Besser denn je, Dr. Bauman.«
»Wie gefällt es Ihnen auf dem Schlepper?«
»Könnte besser sein, um die Wahrheit zu sagen. Aber es gefällt mir, bestimmt«, fügte er schnell hinzu. »Sie haben mir einen großen Gefallen getan, daß Sie mir den Job besorgten. « »Ich habe Ihnen den Job nicht besorgt, Eddie. Ich habe den
    Mann nur gebeten, Sie sich mal anzusehen.«
»Ja, schon, aber sonst hätte ich den Job nie bekommen. Wie
geht es Ihnen? Sie sehen irgendwie verändert aus, ich meine, so
als ob es Ihnen gutgeht. Aber Schluß damit, Sie sind schließlich
der Doktor.« Er lachte verlegen.
Rachel sah, daß er zugenommen hatte. Als sie ihn vor drei
Jahren kennengelernt hatte, war er gerade verhaftet worden, weil
er mit einem Fischkutter von Norfolk herauf Zigaretten geschmuggelt hatte, um sich seine tägliche Fünfundsiebzig-Dollar-Ration Heroin besorgen zu können. Eddie hatte viele Monate im Halfway House verbracht, hatte viele Stunden mit Rachel gesprochen. Und sie hatte sich um ihn gekümmert,
während er schrie.
»Weshalb wollten Sie mich sprechen, Dr. Bauman? Ich meine, ich freue mich, Sie zu sehen, und wenn Sie wissen möchten, ob ich sauber bin ...«
»Ich weiß, daß Sie sauber sind, Eddie. Ich möchte Sie um
einen Rat bitten.« Noch nie hatte sie ihre Beziehung zu einem
Patienten ausgenutzt, und es störte sie, das jetzt zu tun. Stiles
bemerkte es sofort. Seine angeborene Wachsamkeit kämpfte mit
der Achtung und Sympathie, die er für sie empfand. »Es hat nichts mit Ihnen zu tun«, sagte sie. »Lassen Sie es
mich Ihnen erklären, und sagen Sie mir dann, was Sie davon
halten.«
Stiles entkrampfte sich ein wenig. Sie verlangte also nicht von
ihm, daß er sich gleich auf etwas festlegte.
»Ich suche ein Boot, Eddie. Ein ganz bestimmtes Boot. Ein
Boot für krumme Sachen.«
Sein Gesicht verriet nichts. »Ich fahre auf einem Schlepper.
Mit anderen Booten habe ich nichts zu tun. Sie wissen doch,
daß ich auf einem Schlepper fahre.«
»Ja, ich weiß es. Aber Sie kennen eine Menge Leute, Eddie,
die Boote besitzen. Ich brauche Ihre Hilfe.«
»Wir haben doch immer mit offenen Karten gespielt,
stimmt’s?«
»Ja.«
»Und Sie haben nie etwas von dem weitergesagt, was ich Ihnen auf der Couch erzählt habe, stimmt’s?«
»Kein Wort.«
»In Ordnung. Sagen Sie mir, worum es geht und wer es wissen will.«
Rachel zögerte. Die Wahrheit war die Wahrheit. Etwas anderes würde nicht genügen. Sie erzählte es ihm.
»Der Kerl vom FBI hat mich schon gefragt«, sagte Stiles, als
sie ausgeredet hatte. »Kommt einfach so an Bord und fragt mich
vor allen Leuten aus. Das hab ich gern. Ich weiß, daß die Leute
vom FBI auch noch ein paar ... Jungs aus meiner Bekanntschaft
gefragt haben.«
»Und Sie haben dem FBI gegenüber dichtgehalten.« Stiles lächelte und wurde rot. »Ich konnte den Bullen nichts
Bestimmtes sagen, verstehen Sie? Aber ich habe mich ehrlich
gesagt auch nicht sehr konzentriert. Ich nehme an, die anderen
haben’s auch nicht getan. Ich habe gehört, daß die Bullen sich
immer noch im Hafen herumtreiben und Fragen stellen.« Rachel wartete. Sie drängte ihn nicht. Der kleine Mann steckte
den Finger in den Kragen, strich sich übers Kinn, zwang sich,
die Hände wieder auf die Knie zu legen.
»Sie möchten mit dem Burschen reden, dem das Boot gehört? Ich meine nicht, daß Sie selbst mit ihm reden wollen, das
wäre ... Ich meine, Ihre Freunde.«
»Richtig.«
»Nur reden?«
»Nur reden.«
»Für Geld? Ich meine, nicht für mich. Glauben Sie das bitte
nicht. Um Gottes willen, ich schulde Ihnen schon mehr als genug. Aber ich meine, wenn ich einen bestimmten Burschen
kennen sollte - umsonst ist der Tod. Sicher, ich hab ein paar
Hundert auf der Kante,

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