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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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schreckliche Menschen sein. Irrsinnig, furchtbar. Dein eigenes Kind. Du musst sie aus ihren Fängen befreien.«
    » Ja, Emma«, antwortete Rachaela.
    Das kochende Wasser plätscherte in die Tasse, und die Betrunkenen sangen auf der Straße ihre fröhlichen Lieder.

15
    Fahrer Nummer drei war sich ziemlich sicher.
    » Pitchley. Ich kenne Pitchley. Wo das neue Anwesen ist. Das wird Sie einiges kosten.«
    » Ja.«
    » Also in Ordnung, Springen Sie rein.«
    Als sie die Reihen der Taxis am Bahnhof von Porlea erblickt hatte, war sie nicht gerade in optimistischer Stimmung, doch die Zeit hatte die Weite des Landes eingeengt. In das Territorium der Scarabae war eingebrochen worden.
    Sie erinnerte sich noch an den Weg, obwohl es jetzt in die andere Richtung ging und die Landschaft durch das frühsommerliche Grün völlig verändert wirkte. Sie erkannte die breite Autobahn, die Kirchen und Kneipen.
    Einzig deren Normalität brachte sie aus der Fassung.
    Das Dorf war nicht wiederzuerkennen.
    Ein kleiner Supermarkt war errichtet worden, es gab ein Postamt und einen Gemüsehändler, einen neuen kühnen Gasthof mit einem regenbogenfarbenen Schild, auf dem » Die Zimmermänner « zu lesen war. Auf der Anhöhe stand das neue Anwesen, schokoladenbraun, mit Giebeldächern, Satellitenschüsseln, Wäschespinnen und bilderbuchmäßigen Kirschbäumen im Garten. Irgendwo in der Mitte standen die niedergeschlagenen, grauen Steinhäuser. Die verkommenen Felder hatten sich in Rasenflächen verwandelt.
    » Da wären wir«, sagte der Fahrer. » Wo soll ich Sie rauslassen?«
    » Oben auf dem Hügel.«
    » Beim Anwesen.«
    Er fuhr sie fast bis an die Auffahrt des letzten braunen Puppenhauses.
    Sie bezahlte ihn und stieg aus. Sie beobachtete ihn beim Wegfahren.
    Die Krähen waren verschwunden. Wohin gingen Krähen eigentlich?
    Alles war anders. Doch es war immer noch derselbe Ort. Der Ausgangspunkt für den langen Marsch über die Heide zum Haus. Ihre Tasche war diesmal leicht, nur lebensnotwendige Artikel waren darin. Sie würde auf der Straße besser aufpassen müssen. Es könnte dort jetzt mehr Verkehr herrschen.
    Rachaela hatte Recht. Drei Autos fuhren in der ersten halben Stunde auf der Straße an ihr vorüber.
    Die Sonne wandte sich allmählich gen Westen, als sie an dem ausgebrannten Bauernhof vorbeikam, den man inzwischen abgerissen hatte. Sie sah, wohin die Krähen sich verzogen hatten. An diesem Ort gab es eine regelrechte Kolonie von ihnen. Sie erinnerte sich an die Krähe, die in der Nacht aus der Hecke geflogen war, als sie für immer geflohen war. Für immer war letztendlich doch nicht so lange gewesen.
    Die Heide schillerte in den verschiedensten Farben. Braun und Gold zwischen dem Grün, purpurfarbene Blumen, Ginster in sonniger Masse. Vögel flogen und kreisten zwitschernd. Es war richtig, dass bei ihrer Rückkehr alles anders aussehen musste. In ihrer Erinnerung war es zu öde, zu kahl, und das hatte ihm nur noch mehr Macht gegeben.
    Sie lief jetzt in Richtung Meer. Sie spürte es vor sich, wie eine riesige leere Fläche.
    Nach einem weiteren halbstündigen Fußmarsch war sie müde. Sie setzte sich auf einen Felsen. Der Himmel verdichtete sich allmählich. Würde das Tageslicht noch ausreichen? Sie durfte sich nicht zu lange ausruhen.
    In dieser Landschaft, die Ruth gemalt und mit Drachen bevölkert hatte.
    Eine Möwe kreischte gehässig durch die Lüfte. Rachaela stand schließlich auf und lief weiter. Sie hatte nicht mehr die Kraft wie vor Jahren, doch sie würde es schaffen. Sie hatte kein Verlangen danach, auf der Heide von der Dunkelheit überrascht zu werden. Jetzt nicht mehr.
    Zuerst wirkte das Geräusch, wie von ihrer Müdigkeit erzeugt, ein dumpfes Dröhnen in ihren Ohren. Dann erkannte sie es als das, was es war. Der Monolith ragte aus einem dünnen Pelz von Blumen und Gras, und ganz plötzlich weiterte sich der Horizont. Das Meer erstreckte sich weit unter ihr, doch dazwischen herrschte gähnende Leere. Sie stellte sich an den Steilhang und blickte in den Schlund des Drachens. Die Wellen warfen sich gegen die Bastionen der Klippen. Als wäre sie erst gestern hier gewesen.
    Dunkelheit kroch in Schlieren über das Land.
    Die Sonne versank, als sie am Rande des Ozeans entlangspazierte.
    Wie eine Halluzination wirkte die Schwärze der Kiefern, ganz plötzlich auch das Haus, winzig klein wie ein Spielzeug in der Entfernung. Makellos. Seine Wälle und Mauern. Ein blitzendes smaragdgrünes Fenster.
    Sie hielt verwundert inne.

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