Schwarzer Tanz
Verwundert über sich selbst. Sie war zurückgekehrt.
Nach Sonnenuntergang würden die Türen geöffnet werden. Es war der richtige Zeitpunkt, als sie das Haus umrundete und bei der Vordertür ankam. Sie verhielt erneut, um seine gegen den dämmrigen Himmel stakende Silhouette zu betrachten. Sterne glänzten dort, leicht verändert, da es eine andere Jahreszeit und viele Jahre später war. Sie sah den Turm und spürte ein seltsames Zerren in ihren Eingeweiden. Nein, sie musste sich daran erinnern, die Eigenartigkeit des Hauses hatte ebenfalls mit ihrer Wahrnehmung zu tun. Sie musste diesmal vernünftig bleiben.
Die Türen gaben nach, genau wie früher. Wie früher betrat sie die riesige offene Vorhalle oder Lobby mit ihrem schachbrettgemusterten Boden aus rostbraunem und schwarzem Marmor. Sie war ebenso weitläufig wie sie sie in Erinnerung hatte, die Realität ließ sie nicht kleiner erscheinen. Und dort häuften sich die Schatten, die geduckten Bären, die alles Mögliche bedeuten konnten. In den hohen Fenstern spiegelten sich die ausgesperrten violett-gelben Überreste des Tageslichts.
Die rote Lampe brannte auf dem Mahagonitisch und warf ihre Blutstropfen auf den Lüster an der Decke.
Der Geruch des Hauses war immer noch derselbe. Eine Kirche des Moders und Weihrauchs, altes Holz und schimmlige Schränke, Politur, Öl und süßliche Verwesung.
Diesmal versuchte sie nicht, die Tür zu schließen.
Sie warf einen kurzen Blick auf den Turm im Schatten und schüttelte ihn ab.
Niemand, der sie diesmal begrüßte.
Das war angemessen. Sie war überflüssig und möglicherweise nicht willkommen.
Würde sie den Weg in der Dunkelheit finden können?
Sie ging auf die Treppe zu. Ihr blindes Licht hoch erhoben, wachte die Nymphe auf ihrem Pfosten. Eine neue Spinne hatte ein Netz zwischen ihrer Schulter und ihrem erhobenen Arm gewoben, eine filmgerechte Szene, äußerst passend.
Rachaela betrat den roten Perserteppich und erklomm die Treppe im scharlachroten Schein der Lampe.
Zweiundzwanzig Stufen.
Der Treppenabsatz schimmerte in einem weichen Licht, das aus dem Dunkel des Korridors drang, wie in ihrer Erinnerung. Die zweite Lampe leuchtete, wie damals. Sie erinnerte sich, wie ihr Schein auf das Gesicht und die blicklosen, sehenden Augen von Michael gefallen war, dem allerersten Menschen des Scarabae’schen Haushalts, den sie zu Gesicht bekommen hatte. Sie betrat den beleuchteten Gang, und dort in seiner Beuge war das Fenster, dunkel, jetzt wie damals, eine Masse von Bildern an den Wänden, Gemälde unter Gemälden.
Und dort die Tür. Wie vertraut sie war. Ihr so bekannt wie die Tür zu ihrer Wohnung. War dieses Zimmer verschlossen?
Der Türknauf ließ sich leicht drehen, die Tür öffnete sich in den blaugrünen Raum.
Er erschreckte sie, er war noch immer derselbe, als hätte man die Erinnerung aus ihrem Kopf gesogen und würde sie nun vor ihr entfalten. Der grüne Kamin mit der schwarzen Engelsuhr, die Frisierkommode und der verzierte Spiegel, das Himmelbett mit seinen vier Pfosten. Die Bettdecke war ein wenig zurückgezogen worden, wie in einem Hotel, um die sauberen Kissenhüllen und das weiße Bettlaken zu offenbaren.
In dem sommerlichen Kamin brannte kein Feuer. Ein mit blauen Rosen bestückter Ofenschirm, der mit Sicherheit Mrs. Mantinis Interesse geweckt hätte, stand davor.
Rachaela warf ihre Tasche auf das Bett.
Das Radio stand noch genau da, wo sie es zurückgelassen hatte, auf dem Tisch. Sie nahm es hoch und sah, dass die Batterien schon vor langer Zeit ausgelaufen waren und das Holz verätzt hatten. Sie ging auf den Schrank zu, öffnete seine Türen und fand ihre zurückgelassenen Kleider vor, ordentlich in Reih und Glied. Ein leicht pudriger Geruch hing über ihnen, doch sie waren nicht von Motten zerfressen und würden ihr immer noch passen, trotz der vergangenen zwölf Jahre und der Schwangerschaft.
Das nächtliche Fenster lauerte am Rande des Zimmers. Sein Bild stand ihr noch sehr klar vor Augen, selbst in der Dunkelheit, der bleierne Baum und die zwei Gestalten, die Äpfel und das Einhorn.
Rachaela verließ das Zimmer und ging ins Bad. Mrs. Mantini wäre auch hier geschäftig zu Werke gegangen. In der Tat stellte das ganze Haus ein wahres Paradies für Mrs. Mantini dar. Im Bad lagen frische Seife und saubere Handtücher bereit. Man hatte Rachaela erwartet.
Warum? Dachten sie, dass ihr mütterlicher Instinkt bei dem Auszug ihres Kindes aufbegehrte? Brennend heiß vor Eifer, eilte die
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