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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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nicht sehr viel bedeutete. Sie blieben nicht, verschlangen Rachaela nur mit den Augen und trippelten dann wieder hinaus.
    » Vor meinem Zimmer war irgendetwas«, sagte Rachaela schließlich.
    » Wahrscheinlich Onkel Camillo«, meinte Stephan. » Er spielt gerne seine kleinen, dummen Streiche.«
    » Ja, ich glaube, ich habe ihn auf einem ausgestopften Pferd gesehen. Und er hat mich verfolgt.«
    Anna schüttelte traurig den Kopf. » Camillo ist sehr, sehr alt«, sagte sie ziemlich ernst. » Sehr ungezogen. Aber harmlos, wie ein albernes Kind.«
    » Es war nicht Camillo.«
    Anna zögerte. » Im Haus gibt es eine große Katze. Eine Kreatur der Nacht. Wir sehen sie nur selten, sie führt ihr eigenes Leben.« Rachaela schüttelte den Kopf. » Ich glaube nicht, dass es eine Katze …«
    Die Tür wurde geöffnet. » Das ist Sylvian«, stellte Anna vor, » Sylvian, das ist Rachaela.«
    Der Bücherverstümmler trat langsam vor, die Hände vor der Brust verschränkt, und seine Augen fraßen sich regelrecht in Rachaelas Gesicht.
    » Ich habe schon darauf gwartet, dich kennenzulernen«, sagte Rachaela. » Warum streichst du die ganzen Wörter durch?«
    » Die Wörter«, wiederholte Sylvian. Er sah viel zu zerbrechlich aus, als dass man ihn mit Fragen traktieren könnte, doch das hielt sie jetzt auch nicht mehr ab. Sie wirkten ohnehin alle so zerbrechlich wie die zarten Flügel von Grashüpfern und waren doch so gefräßig wie Heuschrecken.
    » In der Bibliothek. Dort ist auch ein Globus, auf dem die Kontinente zerkratzt wurden.«
    » Worte bedeuten überhaupt nichts«, meinte Sylvian. » Sie häufen sich an wie der Staub.«
    » Worte vermitteln Konzepte und Träume«, widersprach Rachaela.
    » Was ebenfalls keine Bedeutung hat.«
    » Also verstümmelst du die Bücher.«
    » Ich korrigiere sie«, berichtigte Sylvian mit seiner krächzenden, festen Stimme. Er breitete die Arme aus. » Wenn ich fertig bin, wird die Bibliothek gesundet sein.«
    » Ich hoffe, ich werde irgendeinen Abschnitt finden, den du noch nicht zerstört hast«, sagte Rachaela eisig.
    » Die Nordwand«, erklärte er zuvorkommend. » Daran muss ich noch arbeiten. Eine langwierige Aufgabe.«
    » Sylvian tut das, was er für richtig hält«, sagte Anna, die Übersetzerin. » Es tut mir leid, wenn du die Bücher lesen wolltest. Ich lasse mir Bücher aus der Stadt mitbringen. Erlaube mir, dass ich auch für dich einige mitbestelle. Wenn du mir so ungefähr sagen könntest, was …«
    » Werden die Bücher hierhergeliefert?«, fragte Rachaela hastig.
    » Oh, nein. Der Lieferwagen bringt sie ins Dorf, und Carlo holt sie für mich ab.«
    » Aha.«
    » Und der Globus«, Stephan lächelte gütig, » ist nicht Sylvians Werk. Alice hat ihn mit einer Hutnadel zerkratzt.«
    » Die Orte, von denen die Familie vertrieben wurde«, fügte Anna erklärend hinzu.
    » Die Pogrome«, sagte Rachaela.
    » Oh, Sascha gebraucht dieses Wort, weil sie es für angemessen hält. Belassen wir es dabei.«
    » So viele Länder haben die Scarabae vertrieben.« Rachaela erinnerte sich plötzlich wieder lebhaft an die zerkratzte Oberfläche des Globus.
    » Warum?«
    » Die Familie ist uralt«, antwortete Anna.
    » Und unbeliebt«, kicherte Stephan.
    » Abergläubische Ängste der Unwissenden«, meinte Anna.
    » Wovor?«
    » Wir sind anders. Das hast du doch bemerkt. Wir stehen uns alle sehr nahe und haben unsere eigene Art zu leben.«
    » Die Fenster hier«, stieß Rachaela willkürlich hervor.
    » Einige von ihnen stammen aus unseren anderen Häusern. Wir sind hier sicher.«
    » Aber die Fenster«, beharrte Rachaela, » Szenen aus einer Bibel der Hölle.«
    » Genau«, bestätigte Anna schlicht. » Einige von ihnen wurden von dem Pöbel zerbrochen und von Künstlern wieder zusammengesetzt. Nicht alle sind alt. Es wurden auch einige neue angefertigt.«
    » Und euch missfällt die Aussicht vom Haus.«
    » Uns missfällt das Tageslicht.«
    Rachaela erinnerte sich an die Doppeltüren in der Halle. Sie stellte sich Cheta und Carlo auf ihrer Reise ins Dorf vor, vermummt wie in einem Schneesturm.
    Kreaturen der Nacht also, genau wie ihre Katze.
    » Und ihr erwartet von mir, dass ich so lebe?«, fragte Rachaela ungläubig.
    » Es wird dir bald als sehr angenehm erscheinen«, sagte Anna.
    Dorian und Peter lachten plötzlich auf ihren Stühlen, ein Lachen wie aus einer Kehle.
    Rachaela bohrte weiter. » Darf ich nicht hinausgehen?«
    » Natürlich. Natürlich, Rachaela. Bei Nacht oder Tag. Oh, ich zeige dir

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