Schwarzer Tanz
Tierpräparators Meisterstück, auf dessen Rücken ein Mann in Teilen einer Rüstung hockte. Der Mann fuchtelte mit einem Schwert vor ihrer Nase herum und kicherte in einem dünnen Sopran.
Rachaela hielt entsetzt inne.
» Hottehü«, meinte der Reiter beharrlich und trat dem ausgestopften Tier derart fest in die Flanken, dass Staubwolken aufstoben. Als sie an ihm vorbei- und weitergegangen war, spürte sie, wie er sich ihr verstohlen an die Fersen heftete. Wahrscheinlich war er es gewesen, der sie verfolgt hatte, und er war es auch, der Mäuse als Geschenk überbrachte. Vielleicht fing er sie sogar selbst. Er sah nicht exakt aus wie die anderen, trug sein Haar sehr lang unter dem Helm seiner Rüstung. Wahrscheinlich hatte er die nicht immer angelegt, sonst hätte sie ihn schon zuvor über die Korridore rasseln gehört.
Erleichtert erreichte sie ihr Zimmer. Sie verriegelte die Tür und legte sich aufs Bett. Sie merkte gerade noch, wie sich das Gesicht des Teufels wie ein Schatten auf ihres legte und schlief fast augenblicklich ein, als hätte man sie mit einem Zauberbann belegt.
Das Fenster war dunkel, und die schwarze Uhr zeigte auf halb acht. Ein Kaminfeuer warf seine unheimlichen Schatten an die Wände. Auf dem Nachttisch neben dem Bett lagen Streichhölzer, und sie zündete die Kerzen auf dem Kaminsims und die Lampen an. Sie richtete sich genau wie am Abend zuvor für ein intimes Dinner mit Anna und Stephan her. Sie musste ihnen einige Fragen stellen. Zum Beispiel zu Hygiene- und Pflegeartikeln – Zahnpasta, Puder und so weiter. Außerdem brauchte sie Batterien für ihr Radio. Und mehr Bücher, in denen die Zeilen nicht durchgestrichen worden waren … Wenn sie bleiben sollte, musste sie … sie musste …
Rachaela konnte über das Geräusch des Ozeans hinweg Schritte auf dem Flur vernehmen. Sie wirkten nicht wie die anderen, die sie schon kannte, sie waren leichter und flinker. Etwas strich an der Tür entlang.
Rachaela hielt den Atem an. Etwas Fremdes lief den Korridor hinunter. Dann war es verschwunden.
Sie konnte sich fast eine Minute lang nicht dazu überwinden, die Tür zu öffnen, und als sie es schließlich doch tat, war natürlich nichts zu entdecken, was ihr verraten hätte, wer oder was vorbeigekommen war.
Also noch eine Frage. Im Korridor hing ein seltsamer Duft. Er erinnerte sie an etwas Angenehmes. Doch sie wusste nicht mehr, woran.
» Du musst Cheta eine Liste mit den Sachen geben, die du benötigst. Der Lieferwagen, der die Ferienhäuser anfährt, hat fast alles dabei, jedenfalls die meisten bekannten Markenartikel«, lautete Annas Antwort auf ihre erste Frage.
» Ich würde aber lieber selbst auswählen«, widersprach Rachaela.
» Oh, nein. Wäre es das denn wert, dieser lange und beschwerliche Weg? Hinter dem Wald liegt die Heide, musst du wissen. Es geht ständig nur bergauf. Cheta ist sehr stark, nicht wahr, Cheta?«
» Ja, Miss Anna.«
» Du bist doch nicht an eine solche Wanderung gewöhnt. Sieben Meilen.«
Rachaela merkte, dass die Entfernung größer zu werden schien.
» Könnte ich nicht ein Auto mieten, das mich in die Stadt bringt?«
» Oh, aber meine Liebe, das ist so teuer. Die Stadt liegt fünfunddreißig Meilen von hier.«
Sollte Rachaela das tatsächlich glauben?
» Außerdem ist es so fürchterlich umständlich, ein Auto zu mieten. Wir haben kein Telefon im Haus.«
» Am Bahnhof hat mich aber ein Auto abgeholt.«
» Im Dorf gibt es eine öffentliche Telefonzelle. Carlo hat die Firma von dort aus angerufen. Wir mussten ihnen ja auch noch die Wegbeschreibung durchgeben.« Dann also umständlich, aber nicht völlig unmöglich. Anna wollte sie jedoch augenscheinlich endgültig entmutigen. Sie würde dieses Thema vorerst ruhen lassen. Der vielgepriesene Lieferwagen würde vielleicht Batterien und andere wesentliche Dinge des täglichen Bedarfs mit sich führen.
An diesem Abend lagen fünf Gedecke auf dem Tisch. Es waren nur noch zwei weitere Scarabae erschienen, die beiden alten Männer von dem blauen Schachbrett. Dorian und Peter. Sie aßen mit gierigen Bissen und starrten hin und wieder zu Rachaela hinüber, damit sie nur ja keine ihrer Bewegungen versäumten. Sie sprachen nicht mehr als ein oder zwei Worte. Rachaela war froh, dass sie nicht mit den beiden gefrühstückt hatte.
Drei alte Frauen hatten den Raum während der Mahlzeit, die aus Soufflé und Fisch mit einer scharfen Sauce bestand, betreten. Sie hießen Miriam, Livia und Unice, was wie gewöhnlich
Weitere Kostenlose Bücher