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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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verfolgte sie.
    War es der Kater? Wie sollte sie allein mit dem Kater fertigwerden? Sie würde es nicht wagen, ihn zu berühren.
    Der Korridor war so schrecklich lang. Sie war an so vielen Türen vorbeigekommen, hatte an einigen von ihnen gerüttelt, und sie waren versperrt. Was lag hinter den verschlossenen Türen der Scarabae verborgen?
    Sie hörte ein heiseres Kichern hinter sich, das Kichern eines ungezogenen Kindes.
    Camillo.
    War das ein Grund zur Erleichterung? Verloren im Nebengebäude des Hauses, von einem Geisteskranken verfolgt.
    Hatte er das Schwert bei sich?
    Der Korridor bog um die Ecke, und als sie ihm folgte, sah sie, dass er vor einer Tür endete. Die Tür war von schwarzem Eisen umrahmt. Könnte das eine weitere Tür zum Turm sein? Dann wohl ebenfalls verschlossen.
    In diesem Moment wurden Camillos Schritte lauter, kamen auf dem weichen Teppich immer näher.
    Er rannte. Dieser wahnsinnige, alte Mann rannte, um sie zu erwischen.
    Rachaela drückte sich gegen die Wand, und der ungezogene, verrückte Onkel Camillo sprintete an ihr vorüber. Er kicherte während er vorbeilief, und rannte auf die Tür zu. Er hatte einen Schlüssel, mit dem er die Tür aufschloss, und dahinter erschien ein schwarzes Rechteck, Nacht am Tag.
    Camillo verneigte sich und hielt die Tür, das Rechteck der Nacht, für Rachaela geöffnet.
    Sie öffnete die Augen und sah ihr Zimmer in dem Wahnsinn des Fensters der Versuchung.
    Sie hatte wieder nur geträumt. Onkel Camillo hatte die Tür zum Turm nicht geöffnet. Ihr Treffen mit Adamus hatte sie jedoch nicht geträumt. Er stand dort so hell und klar wie der Leuchtturm in einem Meer aus Alpträumen. Schlaf gut, hatte er gesagt.

5
    Sylvian war in der Bibliothek beschäftigt. Er blickte bei ihrem Eintreffen nicht von seiner Arbeit hoch.
    Rachaela stand im Türrahmen und beobachtete, wie er das Ebenholzlineal ansetzte, die Feder in das Tintenfass tauchte, einen sauberen dünnen Strich zog. Wieder ein Satz für immer verloren. Ein weiterer Gedanke ausgelöscht. Rachaela ging auf den Tisch zu, zog einen Stuhl hervor und setzte sich ihm gegenüber.
    » Ich wünschte, ich könnte dich davon abhalten.«
    » Nein, Rachaela. Ich kann nicht aufhören. Das hier ist eine Notwendigkeit.«
    Sie saß da und sah ihm zu. Nur ein weiterer wahnsinniger, alter Mann.
    An anderen Orten wurden diese Bücher in Ehren gehalten und gelesen. Einige von ihnen waren zerfleddert und uralt. Die einzigen Ausgaben, die es in dem Haus der Scarabae noch gab, und Sylvian löschte sie aus.
    » Warum bin ich hier, Sylvian?«
    » Du gehörst hierher«, antwortete er und hielt nicht einmal jetzt inne, warf ihr lediglich einen kurzen Blick aus seinen scharfen Augen zu.
    » Wo kann ich Camillo finden?«, fragte sie.
    » Onkel Camillo geht hier und da und überallhin. Er ist ein Irrlicht.«
    » Onkel«, sagte sie, » ist er dein Onkel, Sylvian?«
    » Er gehört zu der vorhergehenden Generation. Wie Anna. Er ist sehr alt.«
    » Zweihundert, dreihundert.« Sie sagte es leichthin, und ihr Herz klopfte wie rasend in ihrer Brust.
    » Mehr, mehr«, erwiderte Sylvian abwesend, » Onkel Camillo erinnert sich noch an die Flucht aus der letzten Stadt. Ein anderes Land. Vor langer Zeit. Ich kann mich nicht mehr an das Datum erinnern. Ich war damals noch ein Baby.«
    Vor Rachaelas innerem Auge erschien das brennende Haus aus ihrem Traum. Eine Menschenmenge brüllte und zerschlug die bunten Fenster mit Steinen.
    » Sag mir, wie alt du bist, Sylvian.«
    » Oh, das habe ich vergessen.«
    » Wie alt ist Adamus?«
    Sylvian strich liebevoll einen weiteren Satz durch. Von der anderen Seite des Tisches aus wirkte die Buchseite wie eine wunderschöne Matrize voller sorgfältig platzierter Linien und Striche.
    » Adamus ist dein Vater«, antwortete Sylvian gleichgültig.
    » Das hat er mir schon gesagt. Wie alt?«
    » Das musst du ihn fragen. Ich vergesse solche Dinge. Die Zeit schleicht dahin, und doch geht sie so schnell vorbei. Ein Jahr vergeht wie ein Monat. Ein Tag wird zu einem Jahr.«
    » Und du wirst mir nichts über Camillo sagen.«
    » Er läuft im Haus herum. Er ist dir gefolgt.«
    » Jetzt nicht mehr. Er hat das Interesse verloren.«
    » Anna weiß es vielleicht«, meinte Sylvian gedankenverloren.
    » Ich sehe Anna nie tagsüber. Fast keinen von euch, außer den Bediensteten. Was sind sie? Irgendein zweitrangiger Zweig der Familie?«
    Sylvian hatte die letzte Seite des Buches fertiggestellt. Er legte es beiseite und zog ein neues Buch

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