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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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ein Knabe, und sie selbst … sie war ein Baby.
    Maria stellte sich neben Rachaela und legte noch ein weiteres Gedeck für sie auf, genau wo sie stand, am Kopfende des Tisches.
    Rachaela setzte sich schweigend und aß, was ihr angeboten wurde. Und die Scarabae fingen an zu schwätzen. Sie zwitscherten und tschilpten wie in einem Nest voller kleiner, zäher, gefährlicher Vögel mit rasiermesserscharfen Schnäbeln. In dem allgemeinen Durcheinander konnte sie nur einzelne Worte ausmachen:
    Rüschchen, Omelette, Schachfigur.
    Und Anna, die wie gewöhnlich als Sprachrohr fungierte, warf Rachaela ein- oder zweimal ein mitleidloses Lächeln zu. Siehst du jetzt, wie wir sein können, schien es zu sagen. Gefällt dir das besser?
    Die Atmosphäre im Raum knisterte und vibrierte am Rande des Wahnsinns. Rachaela saß wie hypnotisiert, in schwindender Faszination. Es war, als befände sie sich in einer kaputten Spieldose. Ein kurzes Drehen am Schlüssel würde sie verstummen lassen. Nur welcher war der richtige Schlüssel?
    Als die Teller blank und das Obst herumgereicht und ebenfalls verschlungen war, wurden die Teekessel hereingetragen, drei diesmal.
    Von dem unsäglichen Lärm gefangengenommen, blieb Rachaela sitzen. Sie trank Tee.
    Alice und Sascha waren die Ersten, die sich erhoben. Rachaela stand ebenfalls auf und ging auf die beiden zu. Sie hatte Alice wiedererkannt, die eine pflaumenblaue Strickjacke und eine lange Kette aus karmesinroten Perlen trug.
    » Alice, erzähl mir etwas über den Dachboden.«
    » Oh, der Dachboden«, stieß Alice sofort wie aus der Pistole geschossen hervor. » Voller Krimskrams. Ein Kleid von meiner Mutter« – seltsam, dass dieses Geschöpf eine Mutter gehabt haben sollte – » auf einer Schneiderpuppe. Und das alte Schaukelpferd, erinnerst du dich, Sascha?«
    » Wie kommt man zum Dachboden?«, fragte Rachaela.
    » Über eine Treppe. Wir zeigen sie dir.«
    Als sie den Raum verließen, folgten ihnen die Blicke der anderen. Der Lärm wurde jedoch keinen Deut leiser.
    Sie gingen auf den Treppenabsatz zu und bogen nach links ab. Der Korridor wand sich um mehrere Kurven und zweigte dann ab. Alice hielt sich erneut links. Sie kamen durch einen Anbau, auf dessen Fenster Salome mit dem Kopf von Johannes tanzte; das alte Rot eines sterbenden Sonnenuntergangs auf einer abblätternden Wand.
    » Da oben«, sagte Alice. » Jetzt weißt du es.«
    Sascha sagte: » Pass auf Onkel Camillo auf. Er hat da oben auf dem Dachboden sein Weinlager.«
    » Oh, ja«, bestätigte Alice. » Schauderhaftes Zeug, fürchterlich sauer und trocken. Nicht zu trinken. Aber er macht ihn gerne, den Wein. In der Küche sind ihm immer die Korken herausgesprungen. Deshalb lagert er ihn jetzt da oben.«
    Als Rachaela die Treppe betrat, winkte ihr Alice zu, » auf Wiedersehen, auf Wiedersehen«, als begebe sie sich auf eine riskante Reise.
    An der Speichertür hingen keine Spinnweben, sie wurde also benutzt. Es gab zwar ein Vorhängeschloss, doch die Tür war nur angelehnt. Sie stieß sie auf. Die Frauen waren gegangen.
    Der Speicher war weiträumig und hoch, vollgestopft mit allen möglichen Sachen. Sie sah Truhen, alte Kleiderschränke, ausgestopfte Vögel und tatsächlich auch die Schneiderpuppe in einem scharlachroten, modrigen Gewand. Das Schaukelpferd, gebadet in einen Lichtstrahl, blutrot und schneeweiß schimmernd. Ein rundes Fenster durchbrach das Ende der Mauer, mit seinen vielen Speichen wirkte es wie ein altes Wagenrad.
    Sein Glas war staubig und grünlich, ansonsten jedoch klar. Ein Traumfenster am falschen Ort. In seinem spärlichen Licht entdeckte sie schließlich die Reihen brauner Flaschen, die überall standen, und letztendlich Onkel Camillo in einem Schaukelstuhl, den er wahrscheinlich irrtümlicherweise für das Pferd hielt.
    Er saß außerhalb der Reichweite des Lichtstrahls, obwohl dieser fast den ganzen Speicher erleuchtete. Er reflektierte weiße Funken auf seine gefalteten drahtigen Hände, die drei Ringe schmückten, und ließ die lange Kapuze seines weißlichen Haares glitzern. Camillos Augen waren geschlossen; als sie ihn jedoch anstarrte, öffnete er sie langsam.
    » Hottehü!«, rief er dem Schaukelstuhl zu und setzte ihn in Bewegung. Das Knarzen und Quietschen wirkte wie ein Aufstöhnen seines gekrümmten Körpers.
    » Das Licht«, sagte Rachaela.
    » Du wirst dich damit abfinden müssen«, erwiderte er. » Meide einfach den direkten Strahl.«
    » Mir macht es nichts aus.«
    » Das kommt noch.«
    »

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