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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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Und du?«, fragte sie, » fürchtest dich nicht vor dem Licht?«
    » Zu alt«, antwortete Onkel Camillo schaukelnd. » Willst du hinunter zum Meer?«
    » Nein. Gibt es einen Weg in den Turm?«
    » Adamus versperrt die Tür«, erwiderte Onkel Camillo. » Adamus ist fortgelaufen. Hinaus in die Welt, ganz allein. Dann ist er zurückgekommen.«
    » Du kennst den Weg in den Turm«, behauptete Rachaela.
    » Das ist leicht«, meinte er, » über das Dach.«
    Er deutete auf das Fenster. Rachaela stellte sich direkt in den durchs Fenster einfallenden trüben Lichtstrahl. Es gab einen Schließhaken, mit dem man das Fenster vielleicht aufschieben konnte. Dahinter lagen ein flaches Dach und eine Art Steinwall. Eine der Wetterfahnen war äußerst merkwürdig gebogen, es war ein Drachen. Hinter dem flachen Dach war ein weiteres zu sehen und dahinter die Kuppel des Turmes. Unter der Turmkuppel befand sich ein langes, dunkles Fenster aus gefärbtem, in Blei gefasstem Glas. Es wirkte unzugänglich.
    » Nimm dir etwas Wein«, offerierte Onkel Camillo.
    Er schien gar nicht so verrückt zu sein, wie sie zuerst geglaubt hatte. Möglicherweise verbarg er mit seinen verrückten Kapriolen nur seine ihm äußerst unwillkommene Gesundheit.
    » Nein, vielen Dank.« Sie öffnete das Fenster.
    Es war bestimmt möglich, sich durch den Spalt zu zwängen. Sie betrachtete die Dächer und das Fenster unter der Kuppel. Sie hatte Angst, er könnte das Fenster hinter ihr schließen, um sie auszusperren, doch er schaukelte friedlich. Sie glaubte nicht, dass er das wollte. Er würde den direkten Lichteinfall meiden, so wie er es ihr zuvor geraten hatte.
    » Ich werde zurückkommen müssen«, sagte sie. Sie glaubte nicht, dass der Mann Adamus sein Fenster öffnen würde, selbst wenn das möglich wäre.
    Sie kletterte aus dem Fenster und stellte sich auf das Dach. Die anderen Dächer des Hauses breiteten sich unter ihr aus, und sie erspähte Andeutungen von Mauervorsprüngen, und darunter den gelbbraunen Erdboden, die Bäume im Garten, und den Wald. Auf der anderen Seite erstreckte sich das Meer, das heute rastlos und grün schillerte. Es fing an zu nieseln.
    Sie überquerte das Dach, sprang auf das nächste hinüber. Als sie sich dem Turm näherte, hörte sie Klaviermusik, rohe, ungeschliffene Klänge, Teil einer zornigen Melodie, passend zu der donnernden und tosenden Gischt.
    Sie dachte an ein Radio oder einen Plattenspieler im Turm. Er war wie sie, verlangte nach Musik, und gestattete den modernen Geräten, sie für ihn zu erzeugen. Auch das Klappern der Schreibmaschine konnte sie hören. Sie erreichte das Fenster. Als sie der schweren Bleifassung mit den Augen folgte, entdeckte sie die Gestalt eines Löwen, der jedoch nicht über einem Schaf, sondern über einem Ritter in Rüstung kauerte. Es war unmöglich, die genauen Farben auszumachen. Da sie keinen Zugang zum Turm entdecken konnte, hämmerte Rachaela laut gegen das Fenster. Dann zog sie ihre Faust zurück, erschrocken über das, was sie eben getan hatte. Die Klaviermusik wurde jedoch nicht unterbrochen. Keinerlei Regung im Turm deutete darauf hin, dass sie jemand gehört hatte. Rachaela lief durch den Regen zurück. Das Speicherfenster war aufgeklappt, und Camillo schaukelte immer noch. Beim Einsteigen stellte sie sich etwas ungelenk an. » Ja, ich möchte etwas Wein.«
    » Gern. Bedien dich.«
    » Ich kann die Flasche nicht öffnen.«
    » Dann wirst du ohne auskommen müssen.«
    » Du hast einen Schlüssel für die Tür zum Turm.«
    Camillo fragte: » Hat er Klavier gespielt? Es gibt einen Eingang. Hast du geklopft? Vielleicht hat er dich nicht gehört.«
    Sie setzte sich auf eine niedrige Truhe in den Staub.
    Camillo schaukelte. » Ich bin der Älteste von ihnen.«
    » Das haben sie mir erzählt.«
    » Möchtest du wissen, wie alt ich bin?«
    » Ja.«
    » Geht nicht. Kann mich nicht erinnern. Hottehü«, wandte er sich an den Stuhl und schloss wieder die Augen. Dann meinte er: » Ich kenne einen Weg zum Strand hinunter. Am Meer entlanglaufen.«
    Ihm zuliebe antwortete sie. » Also schön. Ich gehe mit dir.« Sie erwartete eine erneute Abfuhr, doch er erhob sich augenblicklich aus seinem Schaukelstuhl. Behände duckte er sich unter dem Lichtstrahl hindurch. In einer Ecke glitzerte die Rüstung; ein Schwert. Er hatte die Maus aus den Fängen des großen Katers geholt.
    » Dann komm, Rachaela.«
    Hinter der Stelle, wo der Pfad wieder zurück in den Wald führte, wuchs dichtes Gebüsch, das eine in

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