Schwarzer Tanz
gehört, aber das war hier auch unmöglich.
Sie wartete darauf, dass sich die Tür öffnete. Natürlich vergeblich.
Fünf gemäß der Turmuhr neben dem Bett – halb vier Uhr morgens.
Der Regen, das rastlose Meer.
Der Regen hatte aufgehört, und nur Anna war zum Abendessen erschienen. Das schien ebenso absichtlich wie die Zusammenkunft der Sippe am vorherigen Abend.
Sie sollte sich Anna anvertrauen.
» Ich habe nachgedacht«, sagte Rachaela. » Wahrscheinlich werde ich doch für eine Weile zurück nach London müssen.«
» Warum denn das?« Anna wirkte nicht überrascht, nicht einmal wütend. Sie zeigte keine Gefühlsregung.
» Ich habe einige finanzielle Angelegenheiten zu regeln.«
» Sicherlich würde ein Brief ausreichen.«
» Zum Haus kommt keine Post.«
» Der Lieferwagen bringt sie. Cheta …«
» Ich denke wirklich, dass ich mich persönlich darum kümmern sollte.«
» Nun, wenn es sein muss.«
Kein Verbot also. Auch kein Beistand.
Rachaela blickte ins Feuer. Sie konnte dort keine Bilder erkennen, nicht einmal von Sylvians Scheiterhaufen.
» Wie du weißt«, sagte Rachaela, » habe ich mit ihm geschlafen.«
» Oh, meine Liebe«, erwiderte Anna. Offensichtlich war dies ein Verstoß gegen die Etikette.
» Das habt ihr doch alle gewollt und erwartet. Ich dachte, dass es dich vielleicht nach Gewissheit verlangt.« Anna antwortete nicht.
» Ich habe seitdem nichts mehr von ihm gehört.«
Das hatte sie nicht sagen wollen.
» Adamus ist sehr verschlossen«, sagte Anna. » Du musst ihm Zeit lassen.«
» Ich war das Unschuldslamm, nicht er. Wozu braucht er Zeit? Er hat dreißig Jahre Zeit gehabt.«
» Er hat Berührungsängste«, sagte Anna geduldig. » Ich habe ihn selbst schon lange nicht mehr gesehen, außer ganz kurz. Du musst Geduld haben.«
» Du wiederholst dich. Warum muss ich Geduld haben?«
» Bleibt dir etwas anderes übrig?«, fragte Anna simpel.
» Ja, ich verstehe. Einfach nichts. Wie lange glaubst du, wird er sich vor mir verstecken? Zwei Monate, drei?«
» Ich weiß es nicht, Rachaela.«
» Oder vielleicht ist das jetzt ein Dauerzustand. Möglicherweise sollte ich Michael oder Cheta bitten, mich mitzunehmen, wenn sie Essen in den Turm bringen.«
» Das würde nie funktionieren. Du kannst dich ihm nicht aufzwingen.«
» Er hat sich mir aufgezwungen. Ihr alle habt ihn mir aufgezwungen.«
» Nein, Rachaela. Es gab auch ein gewisses Maß an Akzeptanz von deiner Seite.«
» Es ist ein Spiel«, sagte Rachaela, » wie ich vermutete.«
» Ganz und gar nicht. Mehr … mehr ein Tanz, Rachaela. Ein Partnerwechsel im Zug der Zeit.«
» Alleingelassen auf dem Tanzboden, und die Band ist nach Hause gegangen. Wenn der letzte kleine Stern den Himmel verlassen hat«, zitierte sie bewusst banal, » und ihr nicht mehr zusammen seid.«
» Er ist, wie er ist.«
» Das sehe ich. Wo bin ich?«
» Du bist in Sicherheit, Rachaela. Du hast uns, alle.«
Rachaela stöhnte. » Aber ihr seid alle verrückt.«
Anna lächelte auf die ihr eigene Art. » Was kann ich dazu sagen?«
Rachaela sah ein Bild in den Flammen. Es war Camillo, der auf dem Rücken des großen, schwarzen Katers ritt.
» Nun, ich werde nach London fahren.«
Anna sagte: » Warte ein Weilchen.«
» Wozu?«
» Vielleicht wird etwas geschehen.«
» Wie ich dir schon sagte, war das schon der Fall.«
Sie dachte: Ist etwas geschehen? Ein weiterer Traum.
Sie dachte: London, habe ich die Kraft, es noch einmal zu versuchen?
Sie wusste jetzt, welcher Tag war, hatte die Wochentage sorgfältig im Auge behalten. An einem Samstag begab sie sich zum Dachboden. Vor zwei Wochen und einem Tag hatte er sie zurückgebracht; so lange lag ihre Episode auf dem grünblauen Bett zurück. Die Türen zum Turm waren verschlossen geblieben. Sie hatte sich mit anderen Dingen beschäftigt, lief und lief, manchmal im strömenden Regen, machte ihre Gymnastik. An manchen Abenden trank sie drei Gläser Wein. Sie sprach Anna nicht an, antwortete nur höflich, wenn Anna sie ansprach.
Camillo war nicht auf dem Speicher. Es schien, als hätte er auch daran das Interesse verloren. Das Schaukelpferd stand still, und sie gab ihm einen Schubs, um es in Gang zu setzen. Aus drei Flaschen war der Korken herausgesprungen, an der Wand dahinter waren Weinflecken.
Rachaela kostete den Wein. Er war sauer, wie es ihr die alten Frauen prophezeit hatten. Sauer, aber stark. Sie sollte dieses Gebräu probieren, vielleicht war es besser als der Wein, den Michael
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