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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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und statt mit einer Antwort reagierte er auf ihre Frage mit einer Gegenfrage.
    »Wissen Sie denn, was Ehre ist, Frau Jansen? Ich will es Ihnen sagen: Als unsere Armeen in Athen einmarschiert sind, hat ein deutscher Offizier einem griechischen Soldaten befohlen, die griechische Flagge von der Akropolis einzuholen.
    Der Grieche hat sie gestrichen, sich darin eingewickelt und sich dann damit über die Brüstung in den Tod gestürzt. Das ist Ehre.«
    Schörner schnüffelte und warf einen Blick aus dem Bürofenster. »Glauben Sie denn, daß Sturm und seine Leute auch nur die leiseste Ahnung davon haben, was Ehre bedeutet?«
    Immer geht es um Hauptscharführer Sturm, dachte Rachel. Warum hassen sich die beiden nur so? Und warum kümmert sich ein Sturmbannführer um einen einfachen Hauptscharführer?
    »Wenn die Russen dieses Lager morgen überrennen«, sagte Schörner, »dann würde Sturm den Arsch des ersten Rotarmisten küssen, der durchs Tor marschiert und ihm eine Uhr aufschwatzen.«
    »Und Sie, Sturmbannführer?«
    Schörner faltete die Hände und sah Rachel in die Augen »Die Antwort kann nur dieser Tag geben, falls er denn kommen sollte. Aber eines kann ich Ihnen versichern: Ich stehe mit meinem Leben zu meinem Wort.«
    »Ich bin froh, das zu wissen, Sturmbannführer. Ich muß Sie nämlich um einen Gefallen bitten.«
    Schörner kniff die Augen ein wenig zusammen. »Um einen Gefallen?«
    »Sie wollen etwas von mir. Ich frage mich, ob ich Sie dafür wohl auch um etwas bitten darf.«
    »Verstehe. Worum?«
    Rachel fühlte, wie ihr die Worte entglitten. Den ganzen Weg über den Appellplatz hatte sie ihre kleine Rede einstudiert, doch jetzt hier wie eine Bettlerin zu stehen und sich selbst als Handelsware anzubieten ... Es fiel ihr einfach zu schwer.
    »Sprechen Sie!« verlangte Schörner und stand auf. »Was ist mit Ihnen los? Weitz hat mir berichtet, daß Sie sich weigern, Ihr Essen zu verzehren! Es bereitet mir erhebliche Schwierigkeiten, es Ihnen zu schicken! Die anderen Gefangenen erdulden dieselben Härten wie Sie, aber sie haben keine Probleme damit zu essen. Im Gegenteil, sie verschlingen ihre Nahrung wie die Schweine!«
    Rachels Dämme brachen. »Es sind meine Kinder Sturmbannführer. Mein Sohn! Ich habe Angst, daß er ...« Unwillkürlich schnürte es ihr die Kehle zu. Wenn Schörner Jan als ein Hindernis für eine sexuelle Verbindung mit ihr betrachten mußte, würde er dann nicht einfach befehlen, den Jungen zum E-Block zu bringen und ... ?
    »Heraus damit, Frau!« schrie Schörner.
    Rachel fiel nur die Wahrheit ein. »Manchmal ... manchmal verschwinden hier Kinder, Sturmbannführer.«
    Schörner wurde von dieser Bemerkung völlig überrumpelt. Einige Sekunden lang stand er vollkommen regungslos da. Dann ging er zur Tür und überzeugte sich davon, daß sie geschlossen war. »Sie spielen natürlich auf Herrn Doktor Brandt an«, sagte er schließlich leise.
    Rachel nickte.
    Schörner seufzte. »Der Kommandant hat ein Problem, - das stimmt«, erklärte er zurückhaltend. »Eine Schwäche. Als Mann und deutscher Offizier verachte ich ihn; aber dennoch toleriere ich ihn. Und zwar nicht, weil er mein Vorgesetzter ist, sondern aus einem viel einfacheren Grund. Er ist kompetent. Vermutlich ist er tatsächlich sogar ein Genie. Verstehen Sie das? Brandt ist nicht wie Mengele und die anderen Quacksalber, die sie in Auschwitz Ärzte nennen. Brandt hat in Heidelberg und Kiel Medizin studiert. Eine Zeitlang war er Chef-Chemiker der IG Farben und hat sich dann völlig in die Forschung zurückgezogen. Er hat mit Gebhardt Schräder höchstpersönlich zusammengearbeitet.« Schörner rieb sich das Kinn, als denke er darüber nach, wieviel er enthüllen durfte. »Und auch hier betreibt er Forschung. Die IG Farben versorgt ihn mit Ausrüstung und dem Material. Und woran er arbeitet, Frau Jansen ... Nun, vergessen Sie es. Ich habe mich wohl einfach in der Gegenwart einer schönen Frau vergessen.« Er musterte Rachel von Kopf bis Fuß. »Ich nehme an, Sie haben eine Art Geschäft im Sinn.«
    »Ja, Sturmbannführer.«
    »Das wäre selbstverständlich nur fair. Aber ich muß ehrlich sein. Die Wahrheit ist, daß ich Ihren Sohn nicht beschützen kann. Als Kommandant besitzt Brandt die absolute Befehlsgewalt über alle hier, einschließlich meiner Person.«
    »Aber Sie kommen direkt nach ihm! Und ich habe einige Leute sagen gehört, daß ... Na ja, daß Brandt Angst vor Ihnen hat.«
    Schörner lachte. »Ich kann Ihnen versichern, daß

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