Schwarzer Tod
Sie auf, Mr. Wilkes! Wachen Sie auf, Sir!«
McConnell sah seine Umgebung schon etwas klarer; doch statt in das Gesicht einer Krankenschwester blickte er in das Gesicht einer Ordonnanz von Colonel Vaughan. Der Mann half ihm auf die Füße.
»Ist das Ihre einzige Tasche, Sir?«
»Was ist hier los?« wollte McConnell wissen.
»Ist das Ihre ganze Ausrüstung, Sir?«
»Nein. Verdammt, ich hab noch ein paar Koffer in der Burg. Warten Sie eine Minute. Himmel ... Ist es das? Heute nacht?«
»Lassen Sie alles in der Hütte, Sir. Sie brauchen es nicht. Folgen Sie mir.«
Die Ordonnanz marschierte hinaus. McConnell suchte in der Dunkelheit nach seinen Schuhen, zog sie an und folgte dem Mann. Es regnete, was in Achnacarry keine große Überraschung war. Die Ordonnanz wartete auf dem Weg zur Burg und wippte auf den Fußballen.
McConnell ging schnell, lief jedoch nicht. Das war eine Gewohnheit, die er sich als Assistenzarzt angeeignet hatte. Es gab ihm Zeit, seine Gedanken zu sammeln. Wo zum Teufel steckte Stern? Kurz nach dem Abendessen hatten sie sich beide in die Hütte zum Schlafen gelegt. Jetzt war Stern verschwunden. Der Tag hatte sie ziemlich ausgezehrt, und zum ersten Mal hatte sich Sergeant McShane nicht beim Morgengrauen blicken lassen, um sie bis zur totalen Erschöpfung zu hetzen. Auch im Laufe des Tages war er nicht aufgetaucht, und Stern hatte keinerlei Neugier gezeigt, was sehr uncharakteristisch für ihn war.
McConnell bog um die Ecke der Burg und drückte sich an der Wand entlang. Als er zur Vorderseite kam, sah er nur die gelbe Lampe über dem Portal, deren matter Schein den Regen durchdrang. Eine Hand stieß gegen seine Brust.
»Warten Sie bitte hier, Mr. Wilkes«, sagte die Ordonnanz.
»Was zum Teufel ...?«
»Klappe, Doktor!« fuhr ihn eine bekannte Stimme an.
McConnell erkannte allmählich die Gestalt, die an der Burgmauer hockte. Neben ihr stand eine Ledertasche.
Stern.
McConnell hockte sich hin. »Ist es soweit?«
»Ich habe gehört, wie Smiths Flugzeug vor einer Weile gelandet ist«, erwiderte Stern.
McConnells Herz schlug schneller, und er bemerkte, daß er den Tartanfetzen von Cameron in der Hand knetete. Als ihm der kalte Regen in den Kragen lief, sah er auch, daß die Wellblechhütten auf der Weide jenseits der Auffahrt leer waren. Es gab weder Lagerfeuer noch Gesänge.
»Wo sind die alle?«
»Nachtangriff!« antwortete Stern.
»Was ist das?«
»Die Reifeprüfung des Colonels«, erwiderte die Ordonnanz. »Es ist das, was hier einem echten Kampf am nächsten kommt. Die Franzmänner rudern gerade über den See.«
McConnell hörte ein Rumpeln im Dunkeln. Ein Motor. Sekunden später arbeitete sich ein Militärlastwagen mit einer Plane langsam die Auffahrt hoch und hielt vor dem Haupteingang der Burg an. Drei Männer kletterten über die Heckklappe. Sie sahen aus, als könnten sie kaum noch laufen. McConnell hielt den Atem an, als sie ins Licht der Lampe traten.
Einer der Männer war Sergeant Ian McShane.
Stern sprang auf und lief zum Wagen. McConnell folgte ihm, aber bevor sie die Männer erreichten, schwang das Burgportal auf und Brigadegeneral Smith trat in den Regen hinaus. Diesmal trug er keinen Tweedmantel und keine Mütze, sondern seine Armeeuniform. Zwei Ordonnanzen folgten ihm. Sie trugen McConnells schwere Koffer und zwei große Seesäcke.
»Verstauen Sie sie im Lastwagen«, bellte Smith. Er entdeckte Stern und McConnell. »Rein in den Lastwagen, ihr zwei. In den Seesäcken befindet sich frische Kleidung. Ziehen Sie sie an.«
In dem Durcheinander an der Heckklappe gelang es McConnell, Sergeant McShane in die Augen zu sehen. Was er dort fand, erstaunte ihn: Erschöpfung, Wut und die Reste eines Schocks. Als er den Arm des Sergeants berührte, zuckte dieser plötzlich zurück, als habe er Schmerzen. Dann erst sah McConnell, daß die Innnenseiten seiner Arme aufgeschabt und wieder vernarbt waren, als wäre er 50 Meter über Zement gerutscht.
»Wo sind Sie gewesen, Sergeant?« fragte er.
»Da, wo Sie hingehen, Doktor.«
Plötzlich stand Brigadegeneral Smith zwischen ihnen. »In die Burg, Sergeant. Da gibt's Whisky und Feuer. Sie haben es sich verdient.«
McShane stand zwischen John Lewis und Alick Cochrane. Er schwieg. Als McConnell Smith über die Schulter blickte, sah er, daß Lewis und Cochrane noch schlimmer aussahen als McShane. Der Sergeant wollte etwas sagen, doch Brigadegeneral Smith kam ihm zuvor.
»Gehen Sie, Sergeant.«
Cochrane und Lewis gingen zur Tür, aber
Weitere Kostenlose Bücher