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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Hände hinter dem Rücken verschränkt, und als die Lysander an ihr vorbeibrummte und mit den Flügeln wackelte, hob sie die Rechte zum Gruß.
    »Seht ihn euch an!« rief Brigadegeneral Smith. »Er steht da wie Cecil B. DeMille persönlich. Was für eine Show! Das Kriegsministerium sagt, Charlie Vaughan brauche mehr Krankenwagen für seine Nachtübungen als Monty in El Alameinie«
    Der Pilot flog mitten in den Sturm hinein. McConnell schaffte es gerade noch, seinen Mageninhalt bei sich zu halten. Er versuchte, sich abzulenken, indem er Smith ausfragte, doch der General ignorierte ihn. Unablässig schlug der Regen gegen die Plexiglasscheiben. Von dem Piloten sah McConnell nur die Rückseite seiner schwarzen Lederkappe, und auch Stern war nur als Schatten zu sehen.
    Zum ersten Mal seit Davids Tod wurde McConnell klar, wie unwiderruflich das alles war. Er flog in einem schwarzen Flugzeug unter einem sternlosen Himmel, dröhnte über eine Insel hinweg, die seit 1939 kein Licht mehr in die Nacht geschickt hatte. Die Vorstellung, daß da ein weltweiter Krieg im Gange war, bei dem es vielleicht um die Seele der Menschheit ging, war ihm niemals realer vorgekommen als in diesem Augenblick.
    Waren das die Gerüche, die David gekannt hatte? Der Geruch von regengetränkter Wolle und Leder? Der beißende Gestank von Flugbenzin und Öl? Der Geruch der Erwartung, den Stern ausstrahlte, der Schweißgeruch des Jägers beim Morgengrauen? Und natürlich der metallische Duft, den McConnell an sich selbst wahrnahm ...
    ... der Geruch der Angst.
    Zum ersten Mal begriff er wirklich, wohin er flog: NaziDeutschland. Ein kleiner Ausschnitt des glorreichen Reiches wartete darauf, daß seine beiden Füße auf ihm landeten, wartete vielleicht auch nur auf seinen Leichnam. McConnell versuchte, diesen Gedanken zu vertreiben, während sich die Lysander nach Süden durch den Sturm kämpfte. Als das Flugzeug langsam sank, hatte er schon über eine Stunde geschlafen.
    Der Aufprall der Räder auf dem Boden weckte ihn. »Ist das hier Schweden?« fragte er verschlafen.
    »Nicht ganz, mein Junge.«
    Das war Brigadegeneral Smiths Stimme. Die Maschine drehte sich und rollte ein Stück in die Richtung zurück, aus der sie gekommen war. Draußen sah McConnell nur Finsternis. Dann blinkten Autoscheinwerfer dreimal auf.
    Der Pilot rollte die Maschine bis zu dem Wagen und hielt an.
    »Aussteigen!« befahl Smith.
    Sie drückten sich aus dem Flugzeug und in den Wagen, einen polierten Humber. Der Pilot blieb in der Lysander. Der Fahrer des Humbers trug eine schwarze Chauffeursuniform und fuhr wie jemand, der Angst hat, zu spät zur Hochzeit seiner Tochter zu kommen. Die deutschen Uniformen zogen einige Blicke aus dem Rückspiegel auf sich. Kurz darauf hielt der Wagen neben einer hohen, getrimmten Hecke. Smith stieg aus, winkte den anderen, es ihm gleichzutun, und führte sie durch einen parkähnlich angelegten Garten. McConnell sah den schwachen Glanz des Mondes auf Doppelfenstern und stand im nächsten Moment mit Smith und Stern vor einer Eichentür.
    »Wo zum Teufel sind wir?« fragte Stern.
    »Polieren Sie gefälligst Ihre Sprache auf«, riet ihm der General.
    Smith öffnete die Tür und führte sie in einen dämmrigen Korridor. McConnell stieg der Duft von Ledereinbänden, altem Chintz, geöltem Holz und Tee in die Nase. Als sie durch das dunkle Haus gingen, sah er Messing und Glas aufblitzen. Einen Augenblick lang glaubte er, daß sie das Zimmer seines alten Tutors in Oxford betreten hatten; aber das war natürlich Unsinn.
    Brigadegeneral Smith bog in einen Flur ein, der von einer elektrischen Wandlampe erleuchtet wurde, und blieb vor einer Tür stehen. Die Holztäfelung daneben sah aus, als wäre sie 400 Jahre alt. Smith legte die Hand auf den Türknauf und sah zu Stern.
    »Machen Sie zügig«, sagte er. »Sprechen Sie nur, wenn Sie angesprochen werden, und drücken Sie sich möglichst gewählt aus.«
    McConnell bemerkte mit einem gewissen Unbehagen, daß die übliche Nonchalance des Brigadegenerals mit einem Mal verschwunden war. Jedes Wort und jede Geste verrieten den Militär. Als Smith die Tür öffnete, wurde ihm auch klar, warum.
    Zuerst sah er nur die kahle Spitze eines runden Kopfes. Dieser Kopf war über eine gewaltige Landkarte gebeugt, die McConnell unschwer als die des Pas de Calais erkannte. Der massige Körper war von einer grünen Armeejacke umhüllt, was merkwürdig schien; doch nur solange, bis McConnell bemerkte, daß das Innere des Hauses

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