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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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ist unaussprechlich. Dreimal in den letzten zehn Wochen hat er sich Jungen in sein Quartier bringen lassen. Kleine Jungen. Er behält sie eine Weile da, etwa eine Woche oder so, und dann ... das Gas, nehme ich an ... Oh, Gott möge mir verzeihen, ich weiß es nicht.« Sie wischte sich die Tränen aus den Augen. »Ich weiß es nicht, und ich will es auch nicht wissen.«
    Stern blieb stehen und sah McConnell mit wutverzerrtem Gesicht an. »Und Sie wollen mir immer noch nicht helfen, dieses Lager zu zerstören?«
    McConnell ertappte sich dabei, wie er die Wodkaflasche mit mehr als nur flüchtigem Interesse betrachtete. »Hören Sie: Wenn Sie diesen Brandt umbringen wollen, kann ich das sehr gut verstehen. Wirklich. Ein Mann, der Kinder quält, verdient es, zu sterben. Aber Sie fordern mich auf, jeden unschuldigen Gefangenen ebenfalls zu töten, der unter seiner Fuchtel steht. Kommt Ihnen das etwa sinnvoll vor?«
    »Wir sprechen über den Ausgang dieses ganzen verdammten Krieges!«
    »Wenn man Brigadegeneral Smith Glauben schenkt.« McConnell bemühte sich, so überzeugend wie möglich zu klingen. »Hören Sie, Stern, wir müssen diese Angelegenheit diskutieren. Wir hocken hier in einer ziemlich heißen Gegend. Vielleicht finden wir ja einen Kompromiß, wenn wir uns erst einmal beruhigt haben ...«
    Stern trat einen Stuhl um und sprang einen Schritt auf McConnell zu. »Sie hätten mich heute nach Rostock begleiten sollen, Doktor. Vielleicht wären Sie dann nicht mehr so ruhig! Wollen Sie wissen, was ich dort gesehen habe?«
    McConnell widerstand dem Drang, die Schmeisser einzusetzen, um sich zu verteidigen. »Sicher«, sagte er leise.
    »Unser Pilot hat sich geirrt.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Der Wohnblock meiner Eltern steht noch. Ich bin sogar hineingegangen und habe ein paar Fragen gestellt.«
    Anna schloß die Augen und bewegte lautlos die Lippen. McConnell interpretierte das als Äquivalent zum Kreuzzeichen einer Katholikin.
    »Oh, ich war nicht in Gefahr«, erklärte Stern sarkastisch. »Ein Polizist hat mich in der Stadt angehalten, aber als er meine SD-Uniform gesehen hat, hat er sich beinahe in die Hose gemacht. Er konnte gar nicht schnell genug von mir wegkommen. Wenn man in diesem Land ein Sturmbannführer des Sicherheitsdienstes ist, muß man sich ja fast wie Gott fühlen.«
    Oder wie der Teufel, dachte McConnell, schwieg aber.
    »Ja, unser Haus steht noch«, fuhr Stern fort, »aber es ist nicht mehr ganz so wie früher. Als ich da noch lebte, war es ein jüdisches Haus. Jetzt ist es voller kleiner blonder Mädchen und Jungen, Miniaturausgaben von unserem Fräulein Kaas hier.«
    McConnell sah, wie Anna unwillkürlich zusammenzuckte.
    »Und niemand schien sich an meine Familie erinnern zu können«, sagte Stern. »Warum auch? Es waren fast nur Kinder dort: kleine arische Prinzen und Prinzessinnen, die alle glücklich in Wohnungen lebten, die von den Geistern kleiner dunkelhaariger Kinder heimgesucht wurden. Ich glaube allerdings nicht, daß sie sich viel um Geister sorgen. Sie etwa, Doktor?«
    »Stern ...«
    »Haben Sie Angst vor Geistern, Doktor?« Stern schlug mit der Schmeisser gegen einen Schrank und erschreckte Anna. »Von allen Männern auf dieser Welt muß ich ausgerechnet mit Ihnen zusammenkommen! Diese Frau hat mehr Mut als Sie!«
    Er stapfte die Kellertreppe hinunter, kehrte jedoch kurz darauf mit seiner persönlichen Reisetasche wieder zurück, in der sich die Ausrüstung befand, die er auf Achnacarry gestohlen hatte.
    »Wohin wollen Sie jetzt gehen?« fragte Anna besorgt.
    Stern warf den Riemen der Reisetasche über die Schulter. »Ich gehe diesen Hügel hinauf und mache diesem Wahnsinn ein Ende. Es weht zwar wieder etwas heftiger, aber sobald der Wind abflaut, werde ich die Kanister runterschicken.«
    »Himmel«, meinte McConnell und stand auf. »Geben Sie mir doch eine Minute Zeit, um nachzudenken, um Gottes willen!«
    »Sie denken doch schon Ihr ganzes Leben lang nach, Doktor. Spielt da eine Minute wirklich noch eine Rolle?«
    McConnell begriff, daß nichts und niemand Stern jetzt noch aufhalten konnte. »Gehen Sie anschließend zu dem Unterseeboot?«
    »Da Sie mir nicht helfen wollen, kann ich in der Fabrik nach dem Angriff ohnehin nichts tun. Ich weiß weder, wonach ich suchen muß, noch, was ich fotografieren soll. Ich werde das erstbeste Fahrzeug stehlen und versuchen, zur Küste zu entkommen.«
    »Und wir?«
    »Sie meinen sich selbst?«
    »Wir können Anna nicht der Gestapo

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