Schwarzer Tod
bin von einem überhängenden Zweig über den Zaun gekommen. Mit einem Stahlkanister im Arm kann ich das nicht.« Stern starrte einen Augenblick lang auf den Tisch; dann drehte er sich zu Anna um. »Es gibt nur einen Weg«, sagte er.
»Wir brauchen einen Wagen«, meinte sie ruhig.
Stern nickte. »Können Sie einen besorgen?«
Anna kaute auf der Unterlippe, während sie darüber nachdachte. »Ich habe eine Freundin. Greta Müller. Ihr Vater ist Bauer. Er liefert Nahrungsmittel im gesamten Stettiner Raum aus. Er hat nicht nur Fahrzeuge, sondern auch Benzin.«
»Wenn wir einen Wagen hätten, könnten wir die Kanister auf den Rücksitz legen oder sie mit Ketten am Fahrgestell befestigen. Das wäre noch besser.« Stern war immer mehr Feuer und Flamme für den Plan. »Sie könnten morgen abend einfahren und am Krankenhaus parken. Ich warte auf Sie. Nachdem ich die Kanister abgekettet habe, führen Sie mich zum Eingang des Luftschutzbunkers in der Leichenhalle. Ich brauche sie nur noch hineinzutragen und sie so einzustellen, daß sie zum richtigen Zeitpunkt hochgehen.« Er beugte sich zu Anna, und seine dunklen Augen funkelten vor Kraft und Energie. »Können Sie uns einen Wagen besorgen?«
»Ich bin ziemlich sicher«, antwortete Anna und erwiderte fasziniert Sterns Blick. »Greta glaubt, daß ich einen Liebhaber in Rostock habe. Einen verheirateten Mann. Ich habe diese Geschichte aufrechterhalten, damit ich mir ab und zu ihren Wagen ausleihen kann, ohne daß sie Fragen stellt. Ich habe ihn dreimal benutzt. Allerdings habe ich das für gewöhnlich länger im voraus angekündigt.«
»Sagen Sie ihr, daß es ein Notfall sei; daß er versuche, mit Ihnen Schluß zu machen.«
»Eine Sekunde«, mischte sich McConnell ein.
»Das ist die einzige Möglichkeit«, entgegnete Anna.
»Das ist mir klar. Aber Sie beide übersehen ein sehr entscheidendes Problem.«
»Und welches?« fragte Stern ungeduldig.
»Um die SS-Männer in den Luftschutzbunker zu bekommen, brauchen wir einen Luftangriff.«
»Warum? Ich kann die Sirene selbst auslösen. Die SS-Leute werden nicht wissen, ob es einen Angriff gibt oder nicht. Sie werden direkt ins Gas laufen.«
McConnell sah zu Anna. Sie wirkte nicht sehr zuversichtlich.
»In all den Jahren, in denen ich hier bin, hatten wir nur einen einzigen Luftalarm«, erklärte sie. »Und das war ein falscher Alarm. Alle Übungen stehen fest. Außerdem gibt es für jede Phase des Angriffs eine bestimmte Diensteinteilung: Soldaten, die die Sirenen bemannen, die Feuer bekämpfen, die dafür sorgen, daß jedes Gebäude evakuiert wird ... Natürlich nicht die der Gefangenen. Die bleiben ungeschützt.«
»Wollen Sie damit etwa sagen, daß es nicht funktioniert?« fragte Stern.
»Ich sage nur, daß vermutlich viele Soldaten nicht in den Luftschutzbunker gehen werden, wenn keine Bomben fallen. Und ich bezweifle ernsthaft, ob die Eingänge geschlossen werden, solange es nirgends knallt. Darauf können Sie sich nicht verlassen.«
»Um Himmels willen«, knurrte Stern. »Es muß doch einen Weg geben!«
»Es gibt auch einen«, sagte McConnell. »Und zwar einen richtigen Luftangriff.« Er trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Und ich glaube, wir können auch einen bekommen. Brigadegeneral Smith kennt die genauen Koordinaten von Totenhausen. Er hat diese verdammte Show angezettelt. Das mindeste, was dieser Mistkerl tun kann, ist, uns eine Handvoll Bomber zu schicken, damit wir den Job beenden können. Wir brauchen nur ein Funkgerät.«
»Und genau das haben wir nicht«, sagte Stern. »McShane hat zwar eins für uns versteckt, aber das ist nutzlos. Ich habe den Fallschirmcontainer auf dem Weg vom Lager ausgegraben und die Kletterausrüstung herausgenommen. Der Behälter war gesprungen und halb voll Wasser gelaufen. Anscheinend hat sich der Fallschirm nicht richtig geöffnet. Die Signallampe für das U-Boot war noch trocken, aber das Funkgerät war naß, und außerdem sind seine Röhren zerschmettert.«
Stern lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und starrte an die Decke. »Selbst wenn wir ein Funkgerät hätten«, sagte er, »würde ein Luftangriff uns vor ein neues Problem stellen.
Wir können Smith zwar bitten, den Angriff zu einer bestimmten Zeit zu fliegen, aber es gibt keine Garantie dafür, daß die Bomber auch zu genau der Zeit hier ankommen. Verstehen Sie?«
»Ja«, erwiderte McConnell. »Es gibt keine Möglichkeit, die Kanister in dem Luftschutzbunker so zu timen, daß sie explodieren, nachdem die
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