Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
Vom Netzwerk:
Labor. Sturm ist derjenige, der die Exekution von Gefangenen fordert. Das ist seine Art, das Leck zu schließen.«
    Als Anna an den Ofen trat, um eine Kanne von dem schrecklichen Getreidekaffee zuzubereiten, kam McConnell zu dem Schluß, daß sie wieder zurechtkam - wenigstens für den Augenblick. Er drehte einen der Stühle herum, setzte sich und legte die Arme auf die Lehne. So saßen die Alten zu Hause auf den Veranden. »Hören Sie zu, Stern«, sagte er ruhig. »Gott weiß, daß ich nicht hierhergekommen bin, um unschuldige Menschen zu töten. Aber die Dinge, die ich seit meiner Ankunft erfahren habe ... Ich fange allmählich an zu verstehen, warum die Briten diesen verrückten Bluff veranstalten. Wir haben versucht, die Gefangenen zu retten. Wir haben alles getan, was wir konnten. Zum Teufel, zwei gute Männer sind bei dem Versuch gestorben, uns zu helfen. Aber jetzt müssen wir uns den Tatsachen stellen: Wir sind gescheitert, und wir können nichts anderes tun, als wieder zu unserem ursprünglichen Plan zurückzukehren.«
    Stern sah sich in der Küche um, um McConnells Blick nicht erwidern zu müssen. »Ich will das nicht mehr.«
    »Was wollen Sie dann tun? Zur Küste flüchten? Das U-Boot nehmen und die Nazi-Todesmaschine wie eine Schweizer Präzisionsuhr weiterticken lassen?«
    Stern schien ernsthaft darüber nachzudenken. »Wollen Sie eine Somanprobe, Doktor? Ich kann Ihnen noch heute nacht eine besorgen. Ich gehe schnurstracks in diese Fabrik und fülle selbst einen Kanister ab. Geben Sie mir einen dieser Minikanister aus Ihrem Seesack.«
    McConnell hob verwirrt die Hände. »Was ist hier los, Stern?
    Sie wissen, daß das nicht das Hauptziel des Einsatzes ist. Wir sollen die Deutschen davon überzeugen, daß wir selbst Nervengas besitzen und auch bereit sind, es zu benutzen.«
    Stern legte seine Schmeisser auf den Küchentresen und setzte sich an den Tisch. »Haben Sie denn den Willen, es einzusetzen, Doktor? Sind Sie bereit, jede Frau, jeden Mann und jedes Kind in diesem Lager zu töten?«
    »Gott stehe mir bei, aber ich glaube, das bin ich«, erwiderte McConnell und dachte an Annas Tagebuch. »Bis gestern nacht habe ich nicht geglaubt, daß die Nazis tatsächlich Sarin oder Soman benutzen würden; aber jetzt ... Jetzt hege ich nicht mehr die geringsten Zweifel daran. Glauben Sie denn, es gefällt mir, zugeben zu müssen, daß Smith recht hat? Er ist ein teuflischer, manipulierender Hundesohn. Doch in Anbetracht dessen, was ich jetzt weiß, glaube ich, daß diese Mission, oder eine wie diese, vermutlich die einzige Chance ist, die Nazis davon abzuhalten, Sarin oder Soman einzusetzen.«
    »Was macht Sie denn auf einmal so blutrünstig? Gestern waren Sie noch ein gottverdammter Pazifist. Was steht überhaupt in diesem Tagebuch?«
    Anna drehte sich um und sah McConnell an.
    »Ich habe es ihm gezeigt,« beichtete er. »Stern, dieses Tagebuch beschreibt etwas, was ich niemals für möglich gehalten hätte.«
    »Was? Die systematische Ausrottung von Tausenden von Juden?«
    »Nein. Das ist schlimm genug, aber es ist nichts Neues. Es zieht sich sogar durch die ganze Geschichte. Was an dem, was die Nazis tun, jedoch anders ist, ist die Tatsache, daß sie die Ärzte damit beauftragen. Sie haben es tatsächlich geschafft, die menschlichen Werte so vollständig umzukrempeln, daß sie die Heiler zu Chefkillern gemacht haben.«
    Stern schnitt eine ironische Grimasse. »Glauben Sie ernsthaft, daß es einen Unterschied macht, ob Menschen von Ärzten oder anderen Leuten getötet werden?«
    »Ja. Ein Arzt hat geschworen, Menschenleben zu bewahren. Füge kein Leid zu ... Das ist die erste Regel. Ein Arzt, der mordet, ist schlimmer als ein Priester, der mordet, denn Päpste und Priester haben einige der schlimmsten Gemetzel der Geschichte befohlen. Aber ein vorsätzlicher Massenmord im Namen der Medizin? Das habe ich noch nie gehört. Hitlers Propagandamaschinerie hat eine Art biopolitische Mentalität in Deutschland geschaffen. Er hat sie überzeugt, daß gewisse Rassen, wie die Ihre zum Beispiel, tödliche Bazillen sind, die man ausrotten muß. Anscheinend gibt es eine ganze Generation von Ärzten, die wirklich glauben, daß sie den Volkskörper heilen, indem sie Millionen von Menschen töten. Sie haben mir einmal einen Vortrag über das Böse gehalten, Stern. Gut, ich bin überzeugt, okay? Wenn es das reine Böse in der Welt gibt, dann haben die Nazis es gefunden und freigelassen.«
    Sterns Lachen war bittere Ironie.

Weitere Kostenlose Bücher