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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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starrte auf eine Kerze und dachte erneut über ihre Lage nach. Er löschte alle menschlichen Aspekte aus seinem Verstand und versuchte, es als ein rein wissenschaftliches Problem zu betrachten, und zwar von jedem möglichen Gesichtspunkt aus, so unwahrscheinlich der auch sein mochte. Drei Minuten später spürte er, wie sich die Haare auf seinem Arm aufrichteten.
    »Anna, holen Sie mir Bleistift und Papier«, sagte er. »Schnell, bitte.«
    »Was ist?« fragte Stern. »Was ist los?«
    »Nichts. Seien Sie einfach nur eine Minute ruhig.« McConnell ließ sich von Anna die geforderten Dinge geben und begann, Zahlen und Buchstaben auf den Zettel zu kritzeln. Stern trat neben ihn und spähte ihm über die Schulter.
    »Was zum Teufel soll das sein?«
    »Daltons Druckgesetze. Wollen Sie einen Beitrag leisten? Nein? Dann seien Sie ruhig.«
    Stern runzelte die Stirn und ging weg. Zwei Minuten später legte McConnell den Bleistift beiseite. »Gut, hören Sie zu«, sagte er. »Wenn Sie bereit sind, heute nacht ins Lager zurückzugehen, dann können wir Ihren Vater retten.«
    Stern kam zurück und baute sich unmittelbar vor ihm auf. »Wie?«
    »Indem wir das tun, was Anna ursprünglich vorgeschlagen hat. Wir bringen die Gefangenen vor dem Angriff in den E-Block. Sie gehen dabei ein wahnsinniges Risiko ein, wir alle tun das, aber ... Na gut, es ist Ihre Entscheidung.«
    Anna sah ihn verwirrt an. »Aber es passen doch nicht alle Gefangenen in den E-Block.«
    »Das ist richtig«, erklärte McConnell. »Alle werden nicht hineinpassen.«
    »Aber etwa die Hälfte«, sagte Stern leise.
    »Es ist die einzige Möglichkeit, Stern. Das oder weglaufen.«
    »Wir spielen Gott«, sagte Anna.
    »Mein Vater würde niemals einverstanden sein, gerettet zu werden«, sagte Stern mehr zu sich selbst als zu den anderen. »Er würde seinen Platz einer Frau oder einem Kind zur Verfügung stellen.«
    »Ich fürchte, daß es darauf hinausläuft«, sagte McConnell. »Das hängt natürlich davon ab, wer die letzte Entscheidung trifft.«
    »Was meinen Sie damit? Wieviel Leute passen in die Kammer?«
    »Anna hat gesagt, die Kammer wäre drei mal drei Meter groß und zwei Meter hoch.« Er sah sie an. »Richtig?«
    Sie nickte. »Nachdem wir darüber geredet haben, habe ich noch einmal in einem Testbericht nachgesehen. Es stimmt.«
    »Das macht 18 Kubikmeter Raum.« McConnell blickte auf sein Blatt Papier. »Umgerechnet sind das 650 Kubikfuß.«
    »Da kann man eine Menge Körper reinquetschen«, meinte Stern. »Vor allem unterernährte Körper.«
    McConnell nickte geduldig. »Wenn es nur eine Frage des Raumes wäre. Ist es aber nicht. Es ist eine Frage des Sauerstoffs.«
    »18 Kubikmeter würden nicht alle versorgen, die hineinpassen?«
    »Nicht lange. Sie erinnern sich doch sicher an diese Filme, in denen Männer in einem luftdicht verschlossenen Banksafe sitzen oder dem Tresor einer Goldmine und zwei Tage damit verbringen, sich einen Weg nach draußen zu überlegen?«
    »Und?«
    »Diese Filme sind einfach Scheiße, okay?« Er benutzte das deutsche Wort. »Sie müssen es sich so vorstellen: Ich ziehe Ihnen eine Papiertüte über den Kopf. Mehr Luft bekommen Sie nicht. Wie lange, glauben Sie, können Sie darin überleben?«
    »Nicht besonders lange.«
    »Genau. Und genau das ist der E-Block: eine große Papiertüte. Nur besteht er aus Stahl. Sie haben etwa 100 Quadratfuß Bodenfläche. Das hört sich nach viel an, ist es aber nicht, glauben Sie mir. Sie könnten wahrscheinlich 100 unterernährte Frauen und Kinder hineinzwängen; aber jeder einzelne Körper, der hineingeht, verdrängt auch eine gewisse Menge Sauerstoff aus der Kammer und reduziert so den verfügbaren Sauerstoff.«
    »Verdammt! Und wie viele Leute können überleben?«
    »Das hängt davon ab, wer hineingeht.« McConnell nahm seinen Bleistift in die Hand. »Wie setzen sich die Gefangenen zusammen?«
    »Es gibt sechs Baracken«, antwortete Anna. »Zwei für Männer, zwei für Frauen und zwei für Kinder. Es gibt jeweils zwei, weil die Juden von den anderen Gefangenen getrennt werden.«
    »Privilegiert, wie immer«, murmelte Stern.
    »Normalerweise sollten 50 Personen in jeder Baracke sein«, fuhr Anna fort, »womit man auf eine Gesamtzahl von 300 käme; aber Brandt hat Probleme, die Reihen aufzufüllen. Im jüdischen Männerblock sind weniger als 15 Männer. Die beiden Kinderbaracken sind fast voll, und der jüdische Frauenblock liegt knapp unter dem Soll; der christliche Frauenblock sogar weit

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