Schwarzer Tod
freiwillig!«
Rachel hörte das Jaulen eines Motorrads auf der Hügelstraße. »Herr Stern, versprechen Sie mir, daß Ihr Sohn meine Kinder mit herausnimmt, wenn er zurückkommt.«
»Frau Jansen, der Anzug ...«
»Versprechen Sie es mir!«
Der Schuhmacher seufzte resigniert. »Ich verspreche es.«
Ben Jansen redete ohne Unterlaß auf Rachel ein, aber sie hörte ihm nicht zu. Sie versuchte, einen Blick auf Jan und Hannah im Kinderblock zu erhaschen. Gab es jetzt noch eine Chance, daß Schörner sie in ein Lebensbornheim schickte? Natürlich nicht. Sie war eine Närrin gewesen, daß sie sein Angebot nicht sofort angenommen hatte.
»Zum E-Block!« befahl Brandt von der Treppe aus.
Zwei Soldaten packten Rachel unter den Armen und trugen sie die Treppe zum Krankenhaus hinauf und durch die Haupthalle zur Hintertür, die auf die Gasse und zum E-Block führte. Sie hatten die Gasse bereits halb durchquert, als ein Motorrad ins andere Ende einbog und bis zu den Treppen fuhr. Ein Mann in der feldgrauen Uniform der Waffen-SS sprang aus dem Sattel und ließ die Maschine in den Schnee fallen. Erst als er seine Brille herunterriß, sah Rachel die Augenklappe und begriff, wer der Fahrer war.
»Herr Doktor!« rief Schörner. »Wir müssen sofort alle Truppen in höchste Alarmbereitschaft versetzen!«
Hauptscharführer Sturm drängte sich zwischen Brandt und Schörner. »Der Herr Doktor führt ein Experiment durch«, sagte er. »Alles andere muß warten.«
Schörner warf nicht einmal einen Blick auf die Häftlinge. Er wußte, daß Rachel unter ihnen sein würde. »Herr Doktor, ich muß darauf bestehen!«
»Sie stinken vielleicht«, meinte Sturm leise. »Wo waren Sie denn? In einem Abwasserkanal?«
»Ja.«
»Einen Moment, Hauptscharführer.« Brandts Stimme klang ruhig und gelassen. »Hören wir uns erst einmal an, was unser Sicherheitschef zu sagen hat.«
»Ich habe die verschwundene Patrouille gefunden, Herr Doktor«, erklärte Schörner. »Beide Männer sind mit Schüssen in den Rücken aus einer automatischen Waffe getötet und in einem Abwasserkanal in Dornow versteckt worden.«
Selbst Sturm fuhr bei dieser Nachricht unwillkürlich zusammen. Schörner drängte weiter und übertrieb die Drohung einer unmittelbaren Gefahr ein wenig. »Ich empfehle eine sofortige Durchsuchung aller Häuser in Dornow. Sturm soll seine Leute aus den Hügeln zurückbeordern. Und auch die Hunde. Wir brauchen sie, um Wände und Böden abzuschnüffeln.«
Sturm kehrte Brandt den Rücken zu. »Das würde Ihnen gefallen, was?« zischte er. »Aber diesmal kommen Sie zu spät.«
Brandt ging ein paar Stufen die Treppe hinunter. In seinem ansonsten so gefühllosen Gesicht zeichnete sich so etwas wie Angst ab. »Wer ist Ihrer Meinung nach für diese Toten verantwortlich, Schörner?«
»Es könnte jeder gewesen sein, Herr Doktor. Partisanen, britische Kommandos, wahrscheinlich beide gemeinsam. Aber da die Raubhammer-Demonstration so kurz bevorsteht, sollten wir meiner Meinung nach kein Risiko eingehen. Denken Sie an Rommel. Und denken Sie an den Führer!«
Brandt wurde kreidebleich. »Sturm! Nehmen Sie sich alle verfügbaren Leute und durchsuchen Sie das Dorf. Sofort!«
»Aber der Test ...«
»Wird ohne Sie weitergehen!« beendete Brandt den Satz. »Bewegen Sie sich. Voran!«
Sturm warf Schörner noch einen letzten giftigen Blick zu und ging dann die Gasse hinauf.
»Fangen Sie mit dem Haus des Bürgermeisters an!« rief Schörner ihm hinterher. »Dieser aufgeblasene Arsch verdient eine Lektion in Sachen Autorität!«
»Gute Arbeit, Schörner«, sagte Brandt. »Und jetzt wollen wir das Experiment fortsetzen. Ich teste heute die Undurchlässigkeit der Raubhammer-Anzüge. Ah, da sind sie ja.«
Rachel drehte sich um und sah, wie Ariel Weitz und drei SS-Männer vorsichtig rückwärts die Treppe herunterkamen. Jeweils zu zweit trugen sie zwei glänzende schwarze Anzüge, an deren Rücken irgendwelche Taschen und Schläuche aus Gummi befestigt waren. Sie suchte Schörners Blick, aber der Sturmbannführer unterließ es geflissentlich, sie anzusehen.
Schörner räusperte sich. »Ich hatte angenommen, daß man uns drei Anzüge geschickt hat, Herr Doktor.«
»Haben sie auch. Aber ich werde meinen Anzug nicht mit Judenschweiß beschmutzen. Würden Sie das tun, Schörner?«
Schörner musterte das Gesicht des Kommandanten einige Sekunden lang, bevor er antwortete: »Nein, Herr Doktor.«
»Natürlich nicht. Also, Sturmbannführer, wir müssen eine
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