Schwarzer Tod
Der Bau war etwa 1,50 Meter hoch, mit eisernen Stäben an den Seiten, damit die Arbeiter sich abstützen konnten. Am Boden floß nur ein kleines Abwasserrinnsal, was bedeutete, daß sich die Störung weiter nördlich befinden mußte, näher am Dorf.
Einige Sekunden, nachdem sich Kleber in diese Richtung bewegt hatte, beleuchtete seine Lampe den Körper eines toten Hundes. Es schien ein Schäferhund zu sein. Er lag mit offenem Maul mitten in dem flachen Rinnsal. Kleber hatte keine Ahnung, warum ein Hund in diesen Kanal eindringen sollte, es sei denn, er wäre kurz vor dem Verhungern. Hier schien das jedoch nicht der Fall zu sein. Der alte Mann kratzte sich das Kinn und tastete sich vorsichtig weiter.
»Ach«, murmelte er, als im Strahl seiner Lampe ein dickes Gewirr aus Zweigen, Schlamm, groben Abfällen und Ratten erschien. Kleber nahm einen schweren Rechen mit kurzem Stiel von seinem Gürtel und begann die Zweige wegzureißen, nachdem er die Ratten verscheucht hatte. Für einen Mann seines Alters war das eine schwere Arbeit. Er legte die Lampe auf einer eisernen Sprosse ab und arbeitete mit beiden Händen. Die Ratten planschten munter um ihn herum.
»Elende Scheißviecher!« fluchte er.
Dann verfing sich sein Rechen in irgend etwas, das nicht nachgeben wollte. Kleber ließ den Rechen los und griff nach seiner Lampe.
»Mein Gott!« stieß er keuchend hervor und wich unwillkürlich zurück.
Die Metallzähne seines Rechens hatten sich in der nassen braunen Hose eines SS-Mannes verfangen - eines toten SS-Mannes. Als das Licht der Taschenlampe über den Toten glitt, sah Kleber voller Entsetzen, daß die Leiche in den Armen eines anderen Leichnams lag. Das war also der Grund gewesen, weshalb sich die Zweige und der Müll hier gesammelt hatten.
Und die Ratten.
Kleber stand eine Weile einfach nur da und dachte nach. Seit zwei Tagen durchkämmte die SS mit Hunden die Hügel, und es wurden immer mehr. Wonach sie suchten, war das Objekt verstohlener, aber reger Spekulationen im größten Gasthaus von Dornow geworden, und Kleber vermutete, daß er jetzt wußte, was es war. Er schüttelte langsam den Kopf, drehte sich um und stapfte durch den Tunnel zurück nach oben. Er mußte Alarm geben.
Otto Buch, der Bürgermeister von Dornow, saß schweigend an seinem Schreibtisch und versuchte, angemessen unterwürfig auszusehen, als der leitende Sicherheitsoffizier vom Lager Totenhausen ihn anschrie und etwas von Fallschirmen, polnischen Partisanen und Verrätern brüllte. Buch hatte keine Ahnung, warum dieser einäugige Kriegsheld glaubte, daß ein Dorfbürgermeister etwas für ihn tun könnte. Er hatte genau zwei Polizisten unter seinem Kommando, und einer davon war der alte Großvater, der die Leichen entdeckt hatte. Wenn das alles nicht so verdammt ernst gewesen wäre, hätte er laut gelacht. Er fand es komisch, daß eine Unterbrechung in dem ordentlichen Fluß unterirdischer Scheiße jetzt eine Flut eben dieser Substanz über seinen Kopf geschüttet zur Folge hatte.
»Sturmbannführer Schörner«, sagte Buch beruhigend, »haben Sie die Leichen selbst gesehen?«
»Sie sehen doch wohl, daß meine Uniform mit Exkrementen bedeckt ist, oder nicht?«
Buch rümpfte die Nase. »Es ist kaum zu ignorieren, Sturmbannführer. Aber erlauben Sie mir die Frage: Haben Sie sich schon eine Meinung darüber gebildet, wie diese Männer gestorben sind?«
»Ihnen wurde mit einer automatischen Waffe in den Rücken geschossen!«
Buch faltete die Hände vor seinem beachtlichen Bauch. »Sturmbannführer, wir in Dornow unternehmen wirklich jede Anstrengung, um der SS in Totenhausen zu helfen, und das trotz der Geheimhaltung, die Ihre Anlage umgibt. Aber das hier ...«, er winkte mit der Hand, »... scheint mir ein militärisches Problem zu sein.«
Schörner richtete sich zu seiner ganzen, beeindruckenden Größe auf. »Es wird sehr bald ein ziviles Problem sein, Bürgermeister. Sobald ich genügend Truppen hier habe, werde ich jedes Haus des Dorfes durchsuchen lassen.«
Otto Buch stieg das Blut ins Gesicht. »Wollen Sie damit sagen«, stammelte er beleidigt, »daß Sie jemanden aus diesem Dorf verdächtigen, antifaschistische Partisanen zu verstecken?«
»Allerdings.«
»Das glaube ich einfach nicht! Ich kenne hier alle seit Jahren. Die einzigen Leute, die ich möglicherweise als Verdächtige in Betracht ziehen würde, sind die zivilen Helfer, die Sie haben herkommen lassen, seit das Lager gebaut worden ist.«
Schörner lauschte, als ein
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