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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Hochdeutsch!«
    »Ich habe bis zu meinem siebten Lebensjahr in Magdeburg gelebt, Sturmbannführer. Als Waise bin ich nach Holland geschickt worden, nach dem Großen Krieg.«
    Schörner lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und musterte Rachel. »Es tut mir leid, daß Sie Ihnen das Haar abgeschnitten haben. In diesem Lager macht man das vor der medizinischen Untersuchung, so daß ich keine Gelegenheit mehr hatte einzuschreiten. Der Friseur hat mir erzählt, daß es sehr schön gewesen ist.«
    Rachel versuchte, den Eindruck zu vermeiden, daß sie so schnell wie möglich das Büro verlassen wollte.
    »Sie sind nur bei der Untersuchung aufgefallen«, sagte Schörner leise. Seine Vertrauensseligkeit schien ihm fast peinlich zu sein. Nach einer halben Ewigkeit fuhr er fort. »Sie erinnern mich an jemanden.«
    Rachel schluckte. »An wen, Sturmbannführer?«
    »Das spielt keine Rolle.«
    Je länger Rachel vor ihm stand, desto mehr wuchs ihr Unbehagen. »Sturmbannführer«, sagte sie heiser. »Was habe ich getan?«
    »Noch haben Sie gar nichts getan, Frau Jansen; aber ich hoffe, daß sich das bald ändert.«
    Schörner stand auf und trat hinter seinem Schreibtisch hervor. Er war groß und schlank, aber kräftig. Erst jetzt bemerkte Rachel die Branntweinflasche, die offen auf dem Bücherregal an der Wand stand und zur Hälfte geleert war. Schörner schenkte sich noch ein Glas ein und leerte es in einem Zug. Dann hielt er Rachel das andere Glas entgegen.
    »Nein, danke, Sturmbannführer.«
    Schörner hob die Hände, als wolle er sagen: »Was soll ich denn noch tun?« Er ging auf sie zu, zögerte und machte dann noch einen Schritt in ihre Richtung. Rachel lief ein Schauder über den Rücken, als ihr plötzlich klarwurde, daß Sturmbannführer Schörner betrunken war.
    »Sind Sie direkt aus Amsterdam hierhergekommen?« fragte er.
    »Ja, Sturmbannführer.«
    »Dieser Ort hier muß Sie ziemlich schockieren.«
    Rachel wußte nicht, was sie darauf erwidern sollte. »Ich versuche immer, das Beste aus widrigen Umständen zu machen.«
    Schörner sah sie erstaunt an. »Genau! Genau dasselbe mache ich auch!«
    Rachelis Verwirrung war ihr deutlich anzusehen.
    Schörner seufzte. »Die SS, Frau Jansen, die wahre SS, wurde als Eliteorden gegründet. Wie bei den Rittern. Wenigstens war das die Idee am Anfang. Später trugen alle möglichen Männer die Sig-Runen: Esten, Ukrainer und sogar Araber. Meine Güte, als ich in die SS eingetreten bin, genügte eine Füllung im Zahn, um einen Mann durch die Musterung fallen zu lassen.« Kurz schloß er die Augen. »Nichts ist mehr so, wie es sein sollte.«
    Rachel versuchte, mit keinem Muskel zu zucken. Die Verwandlung des begeisterten Fußballspielers zu dem betrunkenen Offizier vor ihr war verwirrend.
    »Sie haben die Wachposten hier gesehen«, fuhr Schörner fort und kam noch näher. »Die meisten sind Abschaum. Einige sind sogar aus dem Gefängnis in Bremen zum Dienst hier gezwungen worden, und keiner von ihnen hat jemals wirklich gekämpft.« Er hob ihr Kinn mit der rechten Hand. »Überrascht Sie dieses Gespräch?«
    Schörners Berührung hatte Rachel förmlich gelähmt. »Ich ... ich weiß nicht genau, wovon Sie reden, Sturmbannführer.«
    Schörner ließ die Hand wieder sinken. »Natürlich nicht. Wie sollten Sie auch? Während ich in Rußland gekämpft habe, haben Sie sich in einem Keller in Amsterdam versteckt, stimmt's?«
    »Sie sagen es, Sturmbannführer.«
    Schörner fand das anscheinend belustigend. »Ich kann es Ihnen nicht verübeln, wenn Sie sich verstecken, kein bißchen. Die Welt ist für Ihr Volk im Augenblick ein ziemlich schwieriger Ort.« Er blickte auf sein Bücherregal. »Waren Sie jemals in England?«
    »Nein, Sturmbannführer.«
    »Ich war in Oxford, wissen Sie.«
    Wirklich bemerkenswert, dachte Rachel. Ich stehe hier und plaudere mit einem SS-Offizier, mit einem Mitglied dieser mörderischen Legion, die nur sprechen, um zu befehlen, und deren Befehle fast immer ein Todesurteil bedeuten. »Das wußte ich nicht«, sagte sie verlegen. »Waren Sie einer dieser deutschen Rhodes-Stipendiaten?«
    Schörner schüttelte den Kopf. »Ich war ein ganz gewöhnlicher Student. Ein zahlender Student. Außerdem hat Oxford die deutschen Rhodes-Stipendien 1939 eingestellt. Ich war am King's College. Das Ideal meines Vaters von einem Gentleman war das des englischen Public School Absolventen. Absurd, finden Sie nicht?«
    Er ging langsam um Rachel herum. Es kostete Rachel all ihre

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