Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)
feige, um diesen Schmerz zu ertragen.
Der Rasierer öffnete sich. Die silberne Klinge hatte die Form eines kleinen Ambosses. Durch ein winziges gezacktes Loch in der Mitte konnte Skye die Haut ihrer Handfläche erkennen. Sie nahm die Klinge zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand und legte ihre Linke mit dem Handrücken auf den Wannenrand. Dann ballte sie mehrere Male hintereinander die Hand zur Faust und beobachtete, wie sich die Adern verdickten.
Skyle setzte die Klinge am Handgelenk an. Aus dem Fernsehen wusste sie, dass es effektiver war, sich die Arme der Länge nach aufzuschneiden.
Einen Moment lang schloss sie die Augen, entschuldigte sich stumm bei Minty, weil sie ihre Gastfreundschaft auf diese Weise missbrauchte, und schnitt mit der Klinge in ihr Handgelenk – tief genug, um die Haut zu durchtrennen. Blut quoll aus dem Schnitt und floss ihren Arm hinunter, doch die Schlagader hatte sie verfehlt.
Als sie die Klinge zum nächsten Versuch hob, spürte sie, wie sich in ihr etwas regte. Eine Welle aus Energie durchfuhr sie, als würde man ein Gaspedal voll durchtreten. Die Hand mit der Klinge war von einer Kraft erfüllt, die nicht die ihre war und die scharfe Klinge von ihrem Arm wegbewegte. Skye wehrte sich dagegen, doch der Andere hatte die Oberhand und zwang ihre Finger auseinander. Die Klinge fiel neben den verschnörkelten Füßen der Badewanne auf den Fliesenboden.
Skye schluchzte, wollte die Klinge aufheben, konnte aber die Hände nicht von den Wannenrändern lösen. Blut floss aus der Wunde auf das Email und tropfte ins Wasser.
Die Wohnungstür wurde aufgestoßen. Minty stöckelte mit schnellen Schritten auf das Badezimmer zu. »Skye? Schätzchen?«, rief sie und klopfte.
»Ich bin in der Badewanne«, sagte Skye mit lächerlich hoher, quietschender Stimme.
Minty platzte herein. Ihr Mund war vom Sex gerötet, das Make-up verschmiert, die Haare standen ihr zu Berge. »Tut mir leid, Kleines, aber ich muss ganz dringend pinkeln.«
Sie raffte ihr Kleid hoch, rannte zur Toilette hinüber, ließ sich auf die Brille fallen und spritzte einen Urinstrahl in die Schüssel.
»Gott, tut das gut. Donny wollte unbedingt einen Mor genquickie, und plötzlich steht der Hoteldirektor im Zimmer – ein ziemlich ungehobelter Kerl, das kann ich dir sagen – und behauptet, dass Donnys Kreditkarte nicht funktioniert. Sie haben uns rausgeschmissen, und Donny hat mich auf dem Weg zum Flughafen hier abgesetzt. Ich hätte mir während der Fahrt schon beinahe in die Hose gemacht.«
Sie riss Toilettenpapier von der Rolle, dann sah sie Skye zum ersten Mal bewusst an. »Herr im Himmel, Schätzchen, du siehst ja fürchterlich aus.«
Skye ließ sich in die Wanne zurückfallen. Sie kämpfte vergebens gegen die Tränen an, die ihr übers Gesicht liefen.
Minty wischte sich ab. Sie saß noch auf der Toilette, als sie die Rasierklinge auf dem Boden erspähte. Skye versuchte, den Schnitt mit der anderen Hand zu verdecken, doch die ältere Frau reckte den Hals und bemerkte einen Blutstropfen, der wie ein anklagendes Fragezeichen im Wasser trieb.
Minty streckte die Arme aus und umarmte Skye. Sie roch nach Schnaps und Männerschweiß. »O Baby, o Baby«, sagte sie. Skye ließ ihren Tränen freien Lauf, schluchzte, hielt sich an Minty fest, die ihr sanft über das Haar strich. »Nichts und niemand ist das wert, Baby. Niemals.«
»Tut mir leid«, sagte Skye.
»Schon okay.«
Minty trocknete Skyes Gesicht mit einem Handtuch ab. Dann holte sie eine Schachtel mit Heftpflastern, die neben dem Waschbecken stand, und riss eines aus der Verpackung.
»Zeig mal deinen Arm.«
Skye gehorchte. Minty trocknete die Stelle um den Schnitt ab und klebte das Pflaster darauf.
»So.«
Sie stand auf und starrte Skye lange und durchdringend an. »Trockne dich ab, dann mach ich uns Frühstück, und wir reden über alles.«
Minty ging aus dem Badezimmer. Skye hörte die Miniexplosion eines angerissenen Streichholzes, das saugende Geräusch, mit dem Minty an einer Zigarette zog, und das Klappern von Pfannen und Tellern in der Küche.
Skye zog den Stöpsel aus dem Ausguss, stieg aus der Wanne und trocknete sich ab. Dabei löste sich das Heftpflaster. Der Schnitt darunter hatte sich nicht nur geschlossen, er war spurlos verschwunden. Sie schlüpfte in einen weißen Bademantel, der hinter der Tür hing, und ging ins Schlafzimmer. Das Beste war wohl, ihre Sachen zu packen und die Stadt zu verlassen. Genau wie es Gene ihr befohlen hatte.
Doch
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