Schwarzes Blut
mache dir ein Angebot, wie mein Freund freikommen kann. Du bist ein neugeborener Vampir. Ich bin schon sehr alt. Ich könnte dir eine Menge Geheimnisse zeigen, wie du deine Kräfte einsetzen kannst. Auf dich allein gestellt, brauchst du Jahrhunderte, um sie kennenzulernen. Du brauchst mich, um das zu werden, was du sein willst.«
»Und woher soll ich wissen, daß du mir diese Geheimnisse auch wirklich preisgibst?« fragt er. »Woher soll ich wissen, daß du in dem Moment, in dem ich deinen Freund hier freilasse, nicht das Feuer auf mich eröffnest?«
»Weil ich dich brauche«, lüge ich ihn an, aber mit Überzeugung in der Stimme. »Dein Blut ist mächtiger als meins. Wir können einen fairen Tausch machen: dein Blut gegen mein Wissen.«
Eddie überlegt. »Gib mir ein Beispiel für eines deiner Geheimnisse.«
»Ein Beispiel hast du bereits bekommen. Ich bin hier, schon heute. Wie ich so schnell auf diese Stelle hier gestoßen bin, weißt du nicht. Ein Geheimnis hat mich zu dir geführt. Ich kann dir dieses Geheimnis und noch andere verraten, wenn du meinen Freund freiläßt.«
»Du hast eine interessante Stimme.«
»Danke.«
Eddies Stimme klingt plötzlich hart: »Ist das eines deiner Geheimnisse? Die Art und Weise, wie du Leute manipulierst?«
Seine Frage versetzt mich in Erstaunen. Ihm entgeht offenbar nichts, und wenn dem wirklich so ist, wird er Ray auch nicht freilassen, weil er weiß, daß ich ihn dann töte. Ich denke über eine gefährliche Alternative nach.
»Ich manipuliere Sterbliche wie Puppen«, gebe ich zurück. »Machtvolle Vampire zu manipulieren ist nicht ganz so einfach. Aber ich könnte dir zeigen, wie man die schwächeren kontrolliert, wie viele von deinen Gefolgsleuten. Übrigens, Eddie: Je mehr du erschaffst, und je mehr sie wiederum erschaffen, desto weniger Kontrolle übst du aus.«
»Das glaube ich dir nicht.«
»Wirst du aber noch. Hör mir gut zu. Das ist eine seltene Chance für dich. Wenn du sie nicht nutzt, wirst du es noch bereuen. Und du wirst sterben. Du bist doch noch so jung. Du fühlst dich so mächtig. Aber dir ist ein großer Fehler unterlaufen, mir unbewaffnet entgegenzutreten. Dieses Gewehr hier kann eine Menge Kugeln abfeuern, bevor es wieder aufgeladen werden muß. Dein Körper kann dem nicht standhalten. Wenn du meinen Freund tötest, töte ich dich. So einfach ist das.«
Er ist unbeeindruckt. »Du magst ja alt und voller Geheimnisse sein, aber du bist es, die den großen Fehler gemacht hat. Wenn du dein Gewehr nicht fallen läßt, bringe ich ihn um.« Er verstärkt seinen Griff, und plötzlich kriegt Ray keine Luft mehr. »Laß es fallen!«
»Du wagst es, mir zu drohen, Freundchen?« Ich hebe das Gewehr und richte es auf Ray s Brust. »Laß ihn sofort los!«
Eddie bleibt entschlossen. »Hat es vor Tausenden von Jahren schon Poker gegeben? Wohl nicht. Du hast keine Ahnung, wie man blufft. Laß es fallen, sage ich. Dein Freund läuft schon blau an.«
»Lieber blau als rot«, gebe ich zurück. »Aber ein bißchen rot macht mir auch nichts aus. Wenn du nicht tust, was ich sage, schieße ich jetzt. Das hier ist ein Präzisionsgewehr. Die Kugeln rasen mit hoher Geschwindigkeit aus dem Lauf. Ich schieße meinem Freund durch die Brust, durch einen seiner Lungenflügel, und dieselbe Kugel wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in einen deiner Lungenflügel eindringen. Mit einem Loch in der Brust dürftest du Schwierigkeiten haben, meinen Freund festzuhalten. Klar, es wird sofort wieder heilen bei dir, aber vorher jage ich meinem Freund noch eine Kugel rein und damit auch dir. Wie viele Kugeln verträgst du, bevor du ihn loslassen mußt? Wie viele verträgst du, bis du stirbst?« Ich lege eine Pause ein. »Mir unterlaufen keine Fehler, Eddie.«
Meine Kühnheit beunruhigt ihn nun doch. Ray auch: Er läuft jetzt grün an. Immer noch röchelt er nach Luft. Eddie denkt nach. »Du wirst nicht auf deinen Freund schießen«, sagt er.
»Und warum nicht? Du bringst ihn ja doch um.« Ich suche mir eine Stelle auf Rays Bauch, knapp unter den Rippen. Sie sind etwa gleich groß, die Wunden dürften also in etwa identisch sein, weniger gravierend als ein Loch in der Lunge. »Ich zähle bis drei. Eins, zwei…«
»Warte!« sagt Eddie rasch. »Ich mache dir einen anderen Vorschlag.«
Ich behalte mein Ziel vor Augen. »Tu das.«
»Ich sage dir, wo dein anderer Freund ist – als Zeichen meines guten Willens – und du läßt mich mit deinem Freund hier bis auf die andere Seite des Lagerhauses gehen.
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