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Schwarzes Echo

Schwarzes Echo

Titel: Schwarzes Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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hinüber und legte die Stirn in Falten, als hätte sie sich noch nie Gedanken darüber gemacht.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich hab’ das Bild schon immer gemocht. Irgendwas daran berührt mich. Die Frau ist mit einem Mann da. Das bin also nicht ich. Also denke ich, wenn ich einer davon sein soll, dann der Mann, der vor seinem Kaffee sitzt. Ganz allein. Und irgendwie beobachtet er die beiden anderen.«
    »Ich habe es mal in Chicago gesehen«, sagte Bosch. »Das Original. Ich war wegen einer Überstellung da und hatte eine Stunde Zeit, bis ich die Leiche abholen konnte. Also bin ich ins Art Institute gegangen, und da hing es. Die ganze Stunde habe ich damit verbracht, es mir anzusehen. Es hat so etwas an sich … genau wie Sie sagten. Ich kann mich nicht an den Fall erinnern oder wen ich zurückgebracht habe. Aber ich erinnere mich an das Bild.«
    Nachdem sie gegessen hatten, saßen sie am Tisch und redeten fast eine Stunde. Sie erzählte mehr von ihrem Bruder und ihren Schwierigkeiten, über die Wut und den Verlust hinwegzukommen. Achtzehn Jahre später versuchte sie noch immer, damit fertigzuwerden, sagte sie. Bosch antwortete, er selbst versuche nach wie vor, mit vielem fertigzuwerden. Hin und wieder träume er immer noch von den Tunneln, habe allerdings noch öfter mit seiner Schlaflosigkeit zu kämpfen. Er erzählte ihr, wie verwirrt er bei seiner Rückkehr gewesen war, wie schmal der Grat war, die Entscheidung zwischen dem, was er später gemacht hatte, und dem, wo Meadows gelandet war. Es hätte anders kommen können, sagte er, und sie nickte, schien zu wissen, daß es stimmte.
    Später erkundigte sie sich nach dem Dollmaker-Fall und seiner Entlassung vom Morddezernat. Es war mehr als bloße Neugier. Er spürte, daß in dem, was er ihr erzählte, für sie große Bedeutung lag. Sie kam zu einer Entscheidung, was ihn anging.
    »Ich denke, Sie kennen das Wesentliche«, begann er. »Jemand erwürgte Frauen, meist Prostituierte, dann malte er ihnen die Gesichter an. Dicker, roter Lippenstift, kräftiges Rouge auf den Wangen, breiter, schwarzer Lidstrich. Jedesmal dasselbe. Die Leichen wurden sogar gebadet. Aber wir haben kein Wort davon verlauten lassen, daß es so aussah, als würde er Puppen aus ihnen machen. Irgendein Idiot – ich glaube, dieser Sakai drüben vom Coroner – hat durchsickern lassen, daß der gemeinsame Nenner das Make-up wäre. Dann fing dieses Dollmaker-Zeugs in der Presse an. Ich glaube, Channel 4 kam als erster mit dem Namen. Und dann ging es los. Für mich sah es eher aus wie die Tat eines Beerdigungsunternehmers. Aber die Wahrheit ist, daß wir nicht sonderlich gut vorankamen. Wir hatten erst was gegen den Kerl in der Hand, als die Zahl der Opfer schon zweistellig war.
    Nur wenig greifbare Beweise. Die Leichen wurden wahllos abgeladen, überall auf der Westside. Von Faserprüfungen bei zweien der Opfer wußten wir, daß der Kerl wahrscheinlich ein Toupet oder irgend so ein Haarteil trug, einen falschen Bart oder sonst was. Was die Frauen anging, so ließen sich Zeit und Ort ihrer letzten Freier feststellen. Wir fuhren zu den Stundenhotels, fanden aber nichts. Also dachten wir uns, der Typ sammelt sie mit dem Wagen auf und bringt sie dann woanders hin, vielleicht zu sich nach Hause oder an einen sicheren Ort, wo er sie in Ruhe ermorden kann. Wir fingen an, den Boulevard und andere Straßen zu beobachten, an denen es einen Straßenstrich gibt, und haben bestimmt dreihundert Freier festgesetzt, bis sich was ergab. Eines Morgens ruft eine Nutte namens Dixie McQueen in der Sondereinheit an und sagt, sie sei gerade dem Dollmaker entkommen und ob es eine Belohnung gäbe, wenn sie ihn verraten würde. Na ja, solche Anrufe bekamen wir jede Woche. Ich meine, bei elf ermordeten Frauen kommen die Leute mit Hinweisen an, die überhaupt keine Hinweise sind. Die ganze Stadt war in Panik.«
    »Ich erinnere mich«, sagte Wish.
    »Aber Dixie war anders. Ich hatte an dem Abend Spätschicht in der Sondereinheit und nahm den Anruf entgegen. Ich bin zu ihr gefahren und hab’ mich mit ihr unterhalten. Sie erzählte, daß dieser Freier, den sie auf dem Hollywood Boulevard in der Nähe von Spa Row aufgegabelt hatte, sie zu seiner Garagenwohnung in Silver Lake mitgenommen hatte. Sie erzählte, daß der Kerl sich ausziehen und sie währenddessen auf die Toilette gehen wollte. Sie geht also rein, und während sie das Wasser laufen läßt, sucht sie in dem Schrank unterm Waschbecken herum, wahrscheinlich, um

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