Schwarzes Echo
Harry«, sagte er. »Ist das deine neue Partnerin? Ihr scheint ja schon ganz gut miteinander auszukommen.«
Bosch starrte ihn nur an. Eleanor stand noch immer drei Stufen hinter ihm und hatte die Bemerkung wahrscheinlich gar nicht gehört.
»Tut mir leid, Harry«, sagte Edgar so laut, daß man ihn trotz des Dröhnens aus dem Tunnel verstehen konnte. »Ich bin unmöglich. War eine schlimme Nacht. Du solltest sehen, mit welchem neuen Partner mich dieser nutzlose Sack Ninety-eight Pounds zusammengesteckt hat.«
»Ich dachte, du solltest …«
»Von wegen. Hör’s dir an: Pounds hat mir Porter vom Autodiebstahl gegeben. Der Typ ist ein schwerer Trinker.«
»Ich weiß. Wie hast du ihn für diese Sache überhaupt aus dem Bett gekriegt?«
»Er war nicht im Bett. Ich hab’ ihn im Parrot oben in North Hollywood aufgetrieben. Das ist einer von diesen privaten Saufclubs. Porter hat mir die Nummer gegeben, als man uns einander vorgestellt hat, und gesagt, da wäre er fast jeden Abend zu finden. Er hat mir erzählt, er mache da den Sicherheitsdienst. Aber ich hab’ das Büro für Außerdienstliche Tätigkeiten im Parker Center angerufen, und die haben nichts in den Akten. Ich weiß, daß er da nur säuft. Er muß praktisch bewußtlos gewesen sein, als ich angerufen habe. Der Barkeeper hat gesagt, der Pieper an seinem Gürtel wäre losgegangen, aber er hätte es nicht mal gehört. Harry, ich glaube, der Kerl hätte mindestens zwei Promille, wenn er pusten müßte.«
Bosch nickte, runzelte höfliche drei Sekunden lang die Stirn und schob dann Jerry Edgars Probleme beiseite. Er merkte, daß Eleanor neben ihm die Treppe herunterkam und stellte sie Edgar vor. Sie gaben sich die Hand, lächelten, und Bosch sagte: »Also, was ist los?«
»Na ja, das hier haben wir bei der Leiche gefunden«, sagte Edgar und hielt eine durchsichtige Plastiktüte hoch. Darin befand sich ein kleiner Stapel Polaroids. Weitere Nacktfotos von Sharkey. Er hatte nicht lange damit gewartet, seine Bestände neu aufzufüllen. Edgar drehte den Beutel um, und da war Boschs Visitenkarte.
»Sieht so aus, als wenn der Junge unten in Boytown auf den Strich gegangen wäre«, sagte Edgar, »aber wenn du ihn schon einmal hochgenommen hast, weißt du das ja. Jedenfalls habe ich die Karte gesehen und mir gedacht, daß er der Junge von dem 911er-Notruf sein könnte. Wenn du runterkommen und ihn dir ansehen möchtest, tu dir keinen Zwang an. Wir haben den Tatort schon aufgenommen, also faß alles an, wenn du möchtest. Allerdings kann man da unten seine eigenen Gedanken nicht verstehen. Irgend jemand ist durchgegangen und hat sämtliche Lampen im Tunnel kaputtgeschlagen. Wir haben noch nicht rausgefunden, ob es der Täter war oder ob die Lichter schon vorher zerbrochen waren.
Jedenfalls mußten wir unser eigenes Licht aufbauen. Und unsere Kabel waren nicht lang genug, um den Generator hier oben aufzustellen. Der schreit da unten wie ein Fünf-PS-Baby.«
Er drehte sich um und wollte wieder in den Tunnel, aber Bosch hielt ihn an der Schulter fest.
»Jed, wie seid ihr gerufen worden?«
»Anonym. Es war keine 911er-Leitung, also gab es kein Tonband und keine Möglichkeit, die Leitung zurückzuverfolgen. Kam direkt am Tresen in Hollywood an. Anrufer war männlich. Das ist alles, was dieser Blödmann, der ihn entgegengenommen hat – einer von diesen dicken Pfadfindern – uns sagen konnte.«
Edgar wandte sich der Unterführung zu. Bosch und Wish folgten ihm. Es handelte sich um einen langen Gang, der eine Rechtskurve beschrieb. Der Boden bestand aus schmutzigem Beton, die Wände waren weiß verputzt und mit einer dicken Schicht Graffiti überzogen. Es geht doch nichts über eine Dosis Großstadtrealität, wenn man aus dem Symphoniekonzert kommt, dachte Bosch. Sah man von dem grellen Licht ab, das den Tatort auf halbem Weg erhellte, lag der Tunnel im Dunkel. Bosch konnte menschliche Umrisse sehen, ausgestreckt und auf dem Rücken liegend. Sharkey. Er konnte Männer sehen, die im Licht herumstanden oder arbeiteten. Bosch strich im Gehen mit den Fingern seiner rechten Hand über die verputzte Wand. Es half ihm, das Gleichgewicht zu halten. Der Tunnel roch alt und modrig. Dazu kam der Gestank von Benzin und Abgasen aus dem Generator. Bosch spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat und sein Hemd feucht wurde. Nach zehn Metern kamen sie am Generator vorbei, und nach etwa weiteren zehn Metern lag Sharkey am Boden des Tunnels im grellen Licht der Scheinwerfer.
Der
Weitere Kostenlose Bücher