Schwarzes Echo
gewesen sein mußte. Immer noch breit und stämmig, durch das bequemere Leben aber etwas weicher geworden. Er trug eine Brille mit Silbergestell und pinkfarbenen Gläsern, ein Hemd mit offenem Kragen und dazu Golfhosen. Seine Brusttasche hing vom Gewicht eines guten Dutzends Kugelschreiber und kleiner Taschenlampen durch. Ngo Van Binh hatte nichts Auffälliges an sich.
»Mr. Binh? Mein Name ist Eleanor Wish. Ich bin vom FBI. Das hier ist Detective Bosch, LAPD. Wir würden Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
»Ja«, sagte er, ohne die strenge Miene zu verziehen.
»Es geht um den Einbruch in die Bank, in der Sie ein Schließfach hatten.«
»Ich habe keinen Verlust gemeldet. In meinem Fach war nur sentimentaler Inhalt.«
Diamanten stehen ziemlich weit oben, was Sentimentalitäten angeht, dachte Bosch. »Mr. Binh, könnten wir in Ihr Büro gehen und uns da unterhalten?« sagte er statt dessen.
»Ja, aber ich hatte keinen Verlust. Sehen Sie nach. Es steht in den Berichten.«
Eleanor streckte ihre Hand aus und bat Binh vorauszugehen. Sie folgten ihm durch die Tür mit dem verspiegelten Fenster in eine Art Lagerraum. Hunderte von Kisten mit elektronischen Geräten standen auf Stahlregalen entlang der Wände. Sie kamen in einen kleineren Raum, der eine Reparatur- oder Montagewerkstatt war. Eine gedrungene Frau saß an einer Werkbank und schlürfte Suppe aus einer Schüssel. Sie sah nicht auf, als sie vorübergingen. An der Rückseite der Werkstatt gab es zwei Türen, und durch eine davon zog die Prozession in Binhs Büro. Hier war es vorbei mit Binhs ärmlicher Aufmachung. Das Büro war groß und plüschig. Ein Schreibtisch und zwei Sessel standen zur Rechten, eine dunkle, L-förmige Couch zur Linken. Vor der Couch lag ein Orientteppich, der einen kampfbereiten, dreiköpfigen Drachen zeigte. Die Regale an den Wänden gegenüber standen voll mit Büchern, Stereo- und Videoanlagen, weit besser als das, was Bosch vorn im Laden gesehen hatte. Wir hätten ihn zu Hause besuchen sollen, dachte Bosch. Sehen, wie er wohnt, nicht, wie er arbeitet.
Eilig sah sich Bosch im Raum um und entdeckte das weiße Telefon auf dem Schreibtisch. Es war antik, die Sorte, bei der der Hörer in einer Gabel über der Wählscheibe lag. Binh wollte hinter seinen Schreibtisch treten, aber Bosch sprach ihn gleich an.
»Mr. Binh? Wäre es okay, wenn wir uns hier drüben auf die Couch setzen würden? Wir möchten diese Sache so informell wie möglich halten. Ehrlich gesagt, sitzen wir den ganzen Tag am Schreibtisch.«
Binh zuckte mit den Schultern, als machte es für ihn keinen Unterschied. Egal, wo sie saßen, ungelegen kamen sie sowieso. Es war eine sehr amerikanische Geste, und Bosch nahm an, daß sein unbeholfenes Englisch ein Vorwand war, um sich besser abschirmen zu können. Binh setzte sich auf die eine Seite der Couch, Eleanor und Bosch auf die andere. »Hübsches Büro«, sagte Bosch und sah sich um. Er fand kein weiteres Telefon im Raum.
Binh nickte. Er bot ihnen weder Tee noch Kaffee an, auch keinen Small Talk. Er sagte nur: »Was möchten Sie, bitte?«
Bosch sah Eleanor an.
Sie sagte: »Mr. Binh, wir gehen nur unseren Ermittlungen nach. Sie haben nach dem Einbruch nichts als gestohlen gemeldet. Wir …«
»Das ist richtig. Kein Verlust.«
»Das ist korrekt. Was haben Sie in dem Fach aufbewahrt?«
»Nichts.«
»Nichts?«
»Papiere und so was, ohne Wert. Das habe ich schon allen erzählt.«
»Ja, das wissen wir. Es tut uns leid, Sie nochmals behelligen zu müssen. Aber der Fall ist noch ungeklärt, und wir müssen sehen, ob uns etwas entgangen ist. Können Sie mir detailliert sagen, welche Papiere Sie verloren haben? Es könnte uns helfen, sollten wir die Beute finden und identifizieren wollen, wem was gehört.«
Eleanor holte ein kleines Notizbuch und einen Schreiber aus ihrer Handtasche. Binh sah seine beiden Besucher an, als könne er sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie seine Information ihnen helfen sollte. Bosch sagte: »Sie würden sich wundern, was kleine Dinge …«
Sein Pieper ging los. Bosch nahm das Gerät vom Gürtel und starrte auf das Display. Er stand auf und sah sich um, als nehme er den Raum zum ersten Mal wahr. Er fragte sich, ob er es übertrieb.
»Mr. Binh, darf ich Ihr Telefon benutzen? Ein Ortsgespräch.«
Binh nickte, und Bosch trat hinter den Schreibtisch, beugte sich vor und nahm den Hörer ab. Mit großer Geste betrachtete er die Ziffern auf dem Pieper, dann wählte er Edgars
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