Schwarzes Echo
Ausstrahlung. Als Bosch durch die Glastüren trat, durch die die Lebenden hereinkamen, und dann weiter in die Eingangshalle ging, kam er an einem Detective vom Sheriff’s Department vorbei, mit dem er Anfang der Achtziger einige Zeit in der Night-Stalker-Sondereinheit zusammengearbeitet hatte.
»Hey, Bernie«, sagte Bosch und lächelte.
»Leck mich am Arsch, Bosch«, sagte Bernie. »Wir anderen haben auch Fälle, die wichtig sind.«
Bosch blieb einen Augenblick lang stehen und sah dem Detective hinterher, der über den Parkplatz lief. Dann ging er hinein und dann nach rechts, einen behördengrünen Korridor hinunter, kam durch zwei Paar Doppeltüren – und der Gestank wurde immer schlimmer. Es roch nach Tod und extrastarkem Desinfektionsmittel. Der Tod behielt die Oberhand. Bosch betrat den gelb gefliesten Desinfektionsraum. Larry Sakai war da und zog gerade einen Umhang aus Papier über. Papiermaske und -schuhe hatte er schon an. Bosch nahm sich die gleiche Ausrüstung aus einem der Pappkartons auf dem Metalltisch und begann sie überzuziehen.
»Was ist mit Bernie Slaughter los?« fragte Bosch. »Was ist ihm hier drinnen passiert, daß er so sauer ist?«
»Sie sind passiert, Bosch«, sagte Sakai, ohne ihn anzusehen. »Er wurde gestern morgen rausgerufen. Irgend so ein Sechzehnjähriger hat seinen besten Freund erschossen. Oben in Lancaster. Sieht aus wie ein Unfall, aber Bernie wartet, daß wir Schußkanal und Schmauchspuren checken. Er will den Fall abschließen. Ich hatte ihm gesagt, wir würden heute spät dazu kommen, also hat er sich auf den Weg gemacht. Nur kommen wir heute gar nicht mehr dazu. Weil Sally unbedingt Ihren Fall bearbeiten will. Fragen Sie mich nicht, wieso. Als ich den Toten reingebracht habe, hat er ihn sich nur kurz angesehen und entschieden, daß wir ihn heute machen. Ich habe ihm gesagt, daß wir dafür jemanden rausschmeißen müssen, und er hat gesagt, nimm Bernie. Aber den konnte ich nicht mehr rechtzeitig an den Apparat kriegen, um zu verhindern, daß er extra herkommt. Deswegen ist Bernie sauer. Sie wissen, daß er ganz da unten in Diamond Bar wohnt. Eine lange Fahrt umsonst.«
Bosch hatte Maske, Umhang und Schuhe an und folgte Sakai den langen, gefliesten Korridor zu den Autopsieräumen hinunter. »Dann sollte er vielleicht auf Sally sauer sein und nicht auf mich«, sagte er.
Sakai antwortete nicht. Sie traten an den ersten Tisch, auf dem Billy Meadows lag, nackt, im Nacken von einem kurzen Kantholz gestützt. Sechs Metalltische standen im Raum. Sie alle hatten Rinnen an den Rändern und Abflußlöcher an den Ecken. Auf jedem lag eine Leiche. Dr. Jesus Salazar stand mit dem Rücken zu Bosch und Sakai über Meadows’ Brust gebeugt.
»Tag, Harry, ich hab schon gewartet«, sagte Salazar und sah noch immer nicht auf. »Larry, hiervon werde ich Proben brauchen.« Mit seinem Gummihandschuh hielt er etwas, das aussah wie ein viereckiger Pfropfen Fleisch mit rosa Muskelfasern. Er legte es in eine Stahlpfanne, eine von der Sorte, mit denen man Brownies macht, und reichte sie Sakai. »Machen Sie mir ein paar Vertikale, eine vom Einstichkanal, dann zum Vergleich je eine von den Seiten.«
Sakai nahm die Pfanne und ging hinaus ins Labor. Bosch sah, daß das Stück Fleisch aus Meadows’ Brust stammte, etwa zwei bis drei Zentimeter über der linken Brustwarze.
»Was hast du gefunden?« fragte Bosch.
»Bin mir noch nicht sicher. Wir werden sehen. Die Frage ist: Was hast du gefunden, Harry? Mein Mitarbeiter hat gesagt, du hättest die Autopsie gern noch heute gehabt. Wieso das?«
»Ich habe ihm gesagt, es müßte heute sein, weil ich wollte, daß sie morgen gemacht wird. Ich dachte, darauf hätten wir uns auch geeinigt.«
»Ja, das hat er mir gesagt, aber ich bin neugierig geworden. Ich liebe rätselhafte Fälle, Harry. Wieso glaubst du, an dieser Sache wäre was faul, wie ihr Detectives sagt?«
Wir sagen es nicht mehr, dachte Bosch. Wenn es erst mal im Film auftaucht und Leute wie Salazar es übernehmen, ist es aus der Mode.
»Anfangs paßten nur ein paar Dinge nicht zusammen«, sagte Bosch. »Inzwischen sind es mehr geworden. Für mich sieht es aus wie Mord. Da gibt es nichts mehr zu rätseln.«
»Was für Sachen?«
Bosch holte sein Notizbuch hervor und fing an, darin herumzublättern, während er sprach. Er zählte die Dinge auf, die ihm am Tatort aufgefallen waren: der gebrochene Finger, das Fehlen erkennbarer Spuren in der Röhre, das Hemd, das über den Kopf gezogen
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