Schwarzes Echo
kalifornischen Gerichte hatten bestimmt, daß durch die Hypnose eines Zeugen dessen spätere Aussage im Prozeß ungültig würde. Wenn sie Sharkey hypnotisierten, würde er niemals bei einem Verfahren, das aus dem Fall Meadows entstehen konnte, als Zeuge vor Gericht aussagen.
Wish runzelte die Stirn.
»Ich weiß«, sagte Bosch. »Wir würden ihn vor Gericht verlieren. Aber vielleicht kommen wir mit dem, was er uns bis jetzt erzählt hat, sowieso nie bis vor Gericht, Sie haben doch eben selbst gesagt, er wäre nicht besonders brauchbar.«
»Ich weiß nur nicht, ob wir über seine Brauchbarkeit schon endgültig entscheiden sollten. So früh in den Ermittlungen.«
Bosch trat hinüber an die Tür des Vernehmungszimmers und sah sich den Jungen durch die Spiegelglasscheibe an. Er rauchte schon wieder. Er legte die Zigarette in den Aschenbecher und stand auf. Er blickte zum Fenster in der Tür, aber Bosch wußte, daß er nicht nach draußen sehen konnte. Heimlich und leise tauschte er seinen Stuhl gegen den aus, auf dem Wish gesessen hatte. Bosch lächelte und sagte: »Er ist ein cleverer Junge. Es könnte da noch Dinge geben, die wir nie erfahren, wenn wir ihn nicht unter Hypnose setzen. Ich glaube, es wäre das Risiko wert.«
»Ich wußte nicht, daß Sie einer von den Hypnotiseuren im LAPD sind. Das muß ich in Ihrer Akte übersehen haben.«
»Ich bin mir sicher, daß Sie eine ganze Menge übersehen haben«, erwiderte Bosch. Ein paar Augenblicke später sagte er: »Ich nehme an, ich bin einer der Letzten, die es davon noch gibt. Nachdem das Oberste Gericht die Hypnose zurückgewiesen hatte, hat das Department aufgehört, Leute dafür auszubilden. Es gab nur eine einzige Klasse. Ich war einer der Jüngsten. Die meisten anderen sind pensioniert.«
»Trotzdem«, sagte sie, »ich finde nicht, daß wir es jetzt schon tun sollten. Lassen Sie uns noch etwas mit ihm reden und vielleicht zwei Tage warten, bevor wir ihn als Zeugen verlieren.«
»Gut. Aber wer weiß, wo ein Junge wie Sharkey in zwei Tagen steckt?«
»Oh, Sie sind doch findig. Sie haben ihn diesmal gefunden. Das können Sie noch mal schaffen.«
»Wollen Sie Ihr Glück da drinnen versuchen?«
»Nein, Sie machen das gut. Solange ich von jetzt an dazwischenreden darf, wenn mir was einfällt.«
Sie lächelte, und er lächelte, und sie kehrten in das Vernehmungszimmer zurück, in dem es nach Rauch und Schweiß stank. Bosch ließ die Tür offen, um durchzulüften. Wish mußte nicht erst darum bitten.
»Nichts zu essen?« sagte Sharkey.
»Ist unterwegs«, sagte Bosch.
Bosch und Wish ließen Sharkey seine Geschichte noch zweimal erzählen und notierten kleine Details. Sie machten es im Team. Partner, die wissende Blicke austauschten, heimliches Nicken, sogar ein Lächeln. Ein paarmal bemerkte Bosch, daß Wish auf ihrem Stuhl herunterrutschte, und glaubte, ein Grinsen auf Sharkeys jungenhaftem Gesicht zu sehen. Als die Pizza kam, protestierte er wegen der Anchovis, aß aber trotzdem drei Viertel davon und stürzte zwei Cokes hinunter. Bosch und Wish lehnten dankend ab.
Sharkey erzählte ihnen, der Jeep, mit dem Meadows’ Leiche gebracht worden war, wäre schmutzigweiß oder beige gewesen. Er sagte, da sei ein Siegel an der Seitentür gewesen, aber er könne es nicht beschreiben. Vielleicht hatte es aussehen sollen wie ein Fahrzeug vom DWP, der Wasser- und Stromversorgung, dachte Bosch. Vielleicht war es ein Fahrzeug vom DWP gewesen. Jetzt hätte er den Jungen erst recht gern hypnotisiert, beschloß aber, nicht wieder davon anzufangen. Er wollte warten, bis Wish von selbst darauf kam, daß es nötig war.
Sharkey sagte, der Mann, der im Jeep geblieben war, als man die Leiche ins Rohr zerrte, habe die ganze Zeit, die Sharkey ihn beobachtet hatte, kein Wort gesagt. Dieser Mann war kleiner als der Fahrer. Sharkey konnte sonst nur erkennen, daß er schlank war, eine undeutliche Silhouette im schwachen Licht des Mondes über dem dichten Kieferngehölz um das Reservoir.
»Was hat dieser andere Mann gemacht?« fragte Wish.
»Nur zugesehen, glaub’ ich. Wie ein Aufpasser. Er ist nicht mal den Wagen gefahren. Ich glaub’, er hatte das Kommando.«
Den Fahrer hatte sich der Junge genauer ansehen können, aber doch nicht genau genug, um sein Gesicht beschreiben oder ein Phantombild mit den Gesichtsschablonen aus dem Identikit, das Bosch mitgebracht hatte, zusammensetzen zu können. Der Fahrer hatte dunkles Haar und war weiß. Sharkey konnte oder wollte in seiner
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