Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzes Echo

Schwarzes Echo

Titel: Schwarzes Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
eine Reihe beigefarbener Aktenschränke hinter seinem Schreibtisch. Er nahm sich eine Schublade mit der Aufschrift M-N-O vor, und nach kurzer Suche zog er einen dünnen Umschlag hervor. Er warf ihn vor Bosch auf den Schreibtisch. »Das da ist die Akte Meadows«, sagte er. »Mal sehen, was wir hier noch so finden können.«
    Er stellte sich vor die erste Schublade, die vorn im Kartenschlitz nicht beschriftet war. Er ging die Akten durch, ohne eine herauszuziehen. Dann nahm er eine heraus und setzte sich damit hin.
    »Sie können sich diese Akte ansehen, und ich kann Ihnen alles kopieren, was Sie davon haben möchten«, sagte Scales. »Das ist meine Bestandsliste der Leute, die hier durchkommen. Ich kann Ihnen eine Liste sämtlicher Männer zusammenstellen, die Meadows hier kennengelernt haben könnte. Ich nehme an, Sie brauchen Geburtsdaten und Häftlingsnummern?«
    »Das wäre eine Hilfe«, sagte Wish.
    Es dauerte nur eine Viertelstunde, Meadows’ Akte durchzusehen. Er hatte ein Jahr vor seiner Entlassung von TI einen Briefwechsel mit Scales begonnen. Er hatte Rückendeckung von einem Kaplan und einem Anwalt gehabt, der ihn kannte, weil er für den Reinigungsdienst im Aufnahmebüro des Gefängnisses zuständig war. In einem der Briefe hatte Meadows die Tunnel beschrieben, in denen er in Vietnam gewesen war, und wie die Finsternis ihn fasziniert hatte.
    »Die meisten anderen hatten Angst, da runterzugehen«, schrieb er. »Ich wollte es. Damals wußte ich nicht, wieso, aber jetzt glaube ich, daß ich meine Grenzen austesten wollte. Aber die Erfüllung, die es mir gab, täuschte. Ich war so hohl wie der Boden, auf dem wir kämpften. Die Erfüllung, die ich jetzt empfinde, kommt aus Jesus Christus und dem Bewußtsein, daß Er bei mir ist. Sollte ich die Chance bekommen, könnte ich unter Seiner Führung diesmal die richtigen Entscheidungen treffen und diese Gitterstäbe ein für alle Mal hinter mir lassen. Ich möchte von hohlem auf heiligen Boden wechseln.«
    »Abgeschmackt, aber irgendwie ehrlich, nehme ich an«, sagte Wish.
    Scales sah von seinem Schreibtisch auf, während er Namen, Geburtsdaten und Häftlingsnummern auf einem gelben Blatt Papier notierte. »Er war ehrlich«, sagte er mit einer Stimme, die andeutete, daran könne es keinen Zweifel geben. »Als Billy Meadows uns verließ, dachte ich, glaubte ich, er wäre bereit für die Welt und hätte sich von seinen früheren Kontakten zu Drogen und Verbrechen losgesagt. Es wird deutlich, daß er der Versuchung nicht widerstehen konnte. Aber ich bezweifle, daß Sie beide hier finden werden, wonach Sie suchen. Ich gebe Ihnen die Namen, aber sie werden Ihnen nicht helfen.«
    »Wir werden sehen«, sagte Bosch. Scales fing wieder an zu schreiben, und Bosch beobachtete ihn. Er war viel zu eingenommen von seinem Glauben und seiner Loyalität, um zu merken, daß man ihn benutzt haben könnte. Bosch war überzeugt davon, daß Scales ein guter Mensch war, wenn auch allzu schnell bereit, seinen Glauben und seine Hoffnungen auf jemand anderen zu projizieren, vielleicht jemanden wie Meadows.
    »Colonel, was gibt Ihnen das alles?« fragte Bosch.
    Diesmal legte er den Stift beiseite, richtete seine Pfeife zwischen den Zähnen und faltete die Hände auf dem Schreibtisch. »Es geht nicht darum, was es mir gibt. Es geht darum, was es dem Herrn gibt« Er nahm den Stift wieder auf, aber dann kam ihm ein weiterer Gedanke. »Wissen Sie, diese Jungs waren in vielerlei Hinsicht zerstört, als sie zurückkamen. Ich weiß, es ist eine alte Geschichte, und jeder hat sie schon gehört, hat sie im Kino gesehen. Aber diese Männer müssen damit leben. Tausende sind zurückgekehrt und auf direktem Weg in die Gefängnisse gewandert. Eines Tages habe ich darüber gelesen und mich gefragt, was gewesen wäre, wenn es keinen Krieg gegeben hätte und diese Jungs nie irgendwohin gemußt hätten. Wenn sie in Omaha und Los Angeles geblieben wären, in Jacksonville, New Iberia oder sonstwo. Wären sie trotzdem im Gefängnis gelandet? Wären sie obdachlose, umherirrende Geisteskranke? Drogensüchtige?
    Bei den meisten von ihnen möchte ich es bezweifeln. Es war der Krieg, der ihnen das angetan hat, der sie in die falsche Richtung getrieben hat.« Er nahm einen tiefen Zug von seiner kalten Pfeife. »Also versuche ich nur – mit Hilfe der Erde und ein paar Gebetsbüchern – das wieder hineinzutun, was die Erlebnisse in Vietnam ihnen genommen haben. Und das mache ich ziemlich gut. Ich gebe Ihnen also diese

Weitere Kostenlose Bücher