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Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters

Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters

Titel: Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lochthofen
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Meer und mit herrlichem Blick auf Berge und Weinfelder. Konnte man so etwas aufgeben?
    Es gab noch einen zweiten starken Grund, nicht nach Deutschland zurückzukehren. Die harte Arbeit im Lager, all die Jahre in der Arktis hatten seiner Gesundheit schwer zugesetzt. Krim-Sonne statt Berlin-Regen, das riet ihm auch sein Lagerfreund Professor Sternberg. Zumal inzwischen die Rente in greifbare Nähe gerückt war, die Arbeitsjahre hinter dem Polarkreis zählten doppelt, das galt auch für ihn. In ein paar Jahren würde er die volle Rente bekommen. Bei seiner Qualifikation wäre dazu ein Nebenverdienst im Dorf auf der Krim sicher kein Problem. Vielleicht ließe sich sogar in der Weinfabrik eine Arbeit als Ingenieur finden. Das Wein-Deputat kannte Lorenz. Sonne, keine Geldsorgen, so ließe sich gut alt werden.
    Wäre da nicht dieses Ziehen, diese Unruhe im Innersten. Mit dreiundzwanzig war er nach Russland gegangen, nun war er über fünfzig. Er hatte mehr als die Hälfte seines Lebens in diesem Land zugebracht. Das ihn so herzlich und offen empfangen hatte, um ihn dann umso schlimmer zu erniedrigen und zu quälen. Konnte er sich in diesem Land je wieder sicher fühlen? Nein, das konnte er nicht. Sie würden ihn immer als einen Fremden, als einen «Ehemaligen» betrachten. So sehr er auch versuchte, nicht aufzufallen. Ha, nicht auffallen? Ein Häuschen auf der Krim fiel auf. Als das auf dem Rudnik bekannt wurde, hätte die Zahl der Neider ein Spalier bis zum 1. Schacht bilden können. Und das waren einige Kilometer. Der Deutsche hatte eine Datsche am Meer gekauft. Einige murmelten was von «Besatzer» und fragten: Wer hat eigentlich den Krieg verloren?
    Nein, seine Zukunft lag in Deutschland. Für Lorenz stand fest, er würde den ersten Schritt nach Deutschland auch allein gehen. Ob dem ein zweiter, so wie ihn sich Lena vorstellte, dann überhaupt noch folgte, da war sie sich nicht mehr sicher. Ihr Verhältnis schwankte immer mehr zwischen romantischen Momenten und bösen Zerwürfnissen. Wobei Letztere an Oberhand gewannen. Ein Kampf um die Vorherrschaft in der Familie tobte. Lorenz brachte das Geld nach Hause, wofür er Freiheit nach außen und einen gewissen Komfort nach innen erwartete. Seine junge, attraktive Frau, die wenige Jahre nach der Geburt des ersten Sohns mit der Arbeit als technische Zeichnerin aufgehört hatte, konnte ihm das bieten. Wenn sie wollte. Sie war eine meisterhafte Köchin, nähte und stickte wie eine Künstlerin, und galt es, ein Fest auszurichten, waren die Gäste des Lobes voll. Aber immer vorausgesetzt, Lena hatte Lust, das zu tun. Wenn nicht, konnte Lorenz toben, soviel er wollte, sie las einfach weiter in ihrem Buch. Es wurde immer frostiger zwischen ihnen.
    Eine vorübergehende Trennung, seine Abreise nach Deutschland, hätte das Ende der Ehe bedeuten können. Lena wollte das nicht riskieren. Und Lorenz war froh, dass sie es nicht auf eine finale Auseinandersetzung ankommen ließ. Beide Kinder hatten einen russischen Pass, er hätte sie zurücklassen müssen. Genau das konnte er sich nicht vorstellen. Er hatte schon einmal ein Kind verloren. Das noch einmal zu ertragen, es auch noch freiwillig zu tun, nein, das kam für ihn nicht in Frage.
     
    Kaden wartete darauf, dass sein Gast fortfuhr. Doch der blieb stumm.
    «Du verstehst schon, wir müssen erst sehen, wie du tickst.»
    Lorenz erwachte aus seinen Erinnerungen.
    «Wie ich ticke? Meinst du, ich habe einen Vogel?»
    «Nein, nein, um Himmels willen, das wollte ich auf keinen Fall sagen. Aber du musst verstehen, ehe die Partei eine Entscheidung fällt, müssen wir klären …»
    «Was müsst ihr?»
    «Müssen wir sehen, was deine Stärken sind.»
    «Meine Stärken? Das habe ich dir doch gerade gesagt. Ihr braucht nur auszuwählen. Und glaube mir, an meinem Einsatz wird es nicht scheitern. Wer von dort kommt, und du weißt, was ich damit meine, der ist hoch motiviert. Oder glaubst du mir etwa nicht?»
    «Natürlich glauben wir dir. Aber du wirst verstehen, die sowjetischen Genossen haben ja nicht nur aus Jux und Tollerei so gehandelt, oft genug hatten auch sie ihre Gründe.»
    «Jux und Tollerei? So würde ich das nicht nennen, wenn man für Jahre hinter Stacheldraht eingesperrt wird und ansehen muss, wie anständige Menschen krepieren. Traust du mir nicht? Traut die Partei mir nicht? Du weißt doch, ich habe auf der Fahndungsliste der Nazis gestanden. Und hätten die mich gekriegt, wir würden uns heute hier nicht unterhalten. Übrigens,

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