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Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters

Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters

Titel: Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lochthofen
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Ton aus sich herauspressen.
    «Ich mache dich kalt, so wie du Hunderte Unschuldiger kaltgemacht hast. Wie ihr meine Larissa umgebracht habt …»
    Doch mit jedem fürchterlichen Fluch, jeder neuen Drohung spürte Lorenz, wie in ihm der Zorn erlosch. Ihm war klar, er konnte noch mehr und noch fürchterlichere Dinge in den Abend hinausschreien, aber dann würde er handeln müssen. Immer und immer wieder hatte er in den langen Nächten darüber nachgedacht, welche Rache wohl die beste für diesen Abschaum sei. Er hatte Schrottkin und Hofer viele Tode sterben lassen, und jedes Mal hatte er selbst Hand angelegt. Jetzt, wo er es mit einer einfachen Bewegung seiner Rechten, die den Hammer führte, tun konnte, spürte er nichts mehr. Nicht einmal mehr Hass.
    «Mechaniker, was ist los?!»
    Der Chef der Wache, deren Aufgabe es war, die Häftlinge vom anderen Ufer zu übernehmen, kam, aufgescheucht durch das Geschrei, vom Feuer herübergelaufen.
    «Nichts weiter. Das ist mein Untersuchungsführer. Er hat mich hierhergebracht.»
    «Ach so, dann schlag ihn tot! Einer weniger von diesen Hurensöhnen.»
    Der Offizier schien beruhigt, dass es eine so überzeugende Erklärung für den Tumult gab. Er kehrte zum Lagerfeuer zurück. Auch die anderen an der Anlegestelle scherten sich nicht mehr um den Vorfall. Selbst bei den Wachen war ein Untersuchungsrichter nicht das, was man einen angesehenen Menschen nannte. Viele der einfachen Bauern, aus denen sich die «Wochra», die Wachmannschaften, in der Regel rekrutierten, hatten selbst Vater oder Bruder, die in Gefängnissen oder Lagern saßen. Dass da ein Mann kurzen Prozess machte, wenn er einen der Henker zu fassen bekam, schien allen nur verständlich.
    Auge um Auge. Zahn um Zahn.
    «Da hat doch der Mechaniker wieder einmal Glück. Kommt vorbei und macht einen solchen Fang», meinte einer der Schlosser.
    «Hüh, Pferdchen, mach Tempo, sonst müssen wir noch eine Leiche mitnehmen.» Das Fuhrwerk mit dem aufgeladenen Generator ruckte knirschend an.
    Das Entsetzen ließ Hofer nach und nach die Kontrolle über seinen Körper verlieren. Sein Unterkiefer hatte sich selbständig gemacht; er hing herab und gewährte einen Blick auf eine Reihe Stahlkronen. Die meisten der Verbrecher schienen das Maul voller Eisen zu tragen.
    «Na gut, Hofer …»
    Lorenz ließ sein Opfer mit einer theatralischen Handbewegung los, kramte eine Zigarette hervor, steckte sie ihm in den Mundwinkel und schob den verdammten Unterkiefer hoch. Mit einem Mal wusste er, was er tun würde. Endlich konnte er erfahren, was Schrottkin und Hofer damals trieb, ihn so zu quälen. Er dachte an Lotte, dachte an Larissa. Sein kleines Mädchen …
    «… rauchen wir noch eine …»
    Hofer zitterte. Er konnte die Hände nicht stillhalten, es dauerte eine Ewigkeit, bis seine Zigarette brannte. Zweimal blies er vor Aufregung die Flamme aus. Immer wieder schielte er auf den Hammer, der jetzt besonders gut sichtbar an Lorenz’ Handgelenk baumelte. Dann, endlich, zog er gierig den Rauch ein. Hofer hatte, seitdem er mitten im schönsten Verhör verhaftete wurde, mit einer solchen Begegnung gerechnet. Er verkroch sich in die dunkelste Ecke eines Waggons, zog sich die dreckigsten Lumpen über den Kopf, er schmierte sich das Gesicht schwarz, ließ den Bart wachsen und schaute keinen Menschen mehr an. Und doch musste der Augenblick kommen.
    Jetzt war es also soweit. Es käme einem Wunder gleich, wenn er diesen Abend überleben sollte. Doch auf dieses Wunder hoffte er nicht. In seinem Inneren hatte er mit sich und dem Leben abgeschlossen, war höchstens verwirrt, dass es jetzt noch einen Aufschub gab. Wozu noch?
    Lorenz betrachtete den Mann aufmerksam.
    «Pass auf, Hofer, ehe ich endgültig entscheide, was mit dir passiert, möchte ich noch ein paar Dinge klären. Komm mit.»
    Er schnappte die Gestalt und zog sie am Ufer entlang.
    «Leutnant, ich borg mir den hier aus. Wir gehen zu Kajetan. Wenn ihr ihn braucht, dann wisst ihr, wo er ist.»
    Der Offizier winkte vom Feuer herüber, es war ihm egal. Fliehen konnte ohnehin keiner. So stiegen Lorenz und sein Untersuchungsführer gemeinsam den Hang zu den Baracken hinauf. Hofer war überzeugt, er werde zur Schlachtbank geführt, in eine dunkle Ecke, damit es keine Zeugen gebe. In diesen Sachen kannte er sich aus.
    Als der Hammer plötzlich gegen den massiven Balken des Lagerschuppens donnerte, wurde der Geheimdienstler aus seiner Apathie gerissen. Schon polterte es auch von innen, die Tür flog

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