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Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters

Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters

Titel: Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lochthofen
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Hofer, weiter.»
    «Na ja, viel ist da nicht mehr zu sagen. Ein Gordon gestand beim Verhör, dass Sie den Leo Trotzki verehren. Vor allem, weil der so klug sei und beim Lesen mit einem Mal ganze Seiten erfassen könnte. Aber das war selbst Schrottkin zu dünn.»
    Hofer unterbrach seine Erinnerung und schaute wie gebannt auf den Rest Wodka in der Flasche. Doch Lorenz schüttelte den Kopf:
    «Und was ist mit Schrottkin? Haben sie ihn befördert, oder drischt der immer noch auf wehrlose Menschen ein?»
    «Schrottkin? Mit Schrottkin ist es vorbei.»
    Hofer zog eine verächtliche Grimasse.
    «Den haben sie erschossen. Es wird ein paar Monate nach Ihrer Abreise gewesen sein. Da saß so ein Würstchen bei uns im Keller. Ein kleiner Fisch. Fünf Jahre wegen … Ach, was weiß ich. War jedenfalls ein Menschewik, ein Sozialdemokrat alten Schlags. Vor der Revolution, versteht sich. Hatte auf die Falschen gesetzt. Das alles musste ihm ja schon ein paar Jährchen einbringen. Aber irgendwie fanden die Jungs Gefallen an ihm. Ich glaube, er hatte schon einige Zähne eingebüßt und ein oder zwei Rippen waren auch gebrochen. Da kam Schrottkin zufällig in den Keller. Eigentlich hatte er nichts mit dem Fall zu tun. Es ging nur um Schreibkram. Oder er wollte etwas wissen. Ist ja auch egal. Da sitzt dieser Menschewik auf dem Stuhl und winselt: ‹Hallo, Genosse Schrottkin, wo kommst du denn her? Willst du mir helfen?› Sie gehörten bei den Menschewiki zur selben Parteizelle. Schrottkin wollte ihn gleich wegen Verleumdung erschießen, hatte schon die Pistole raus. Aber die Genossen spitzten die Ohren. Durch ihre Wachsamkeit saß Schrottkin nun selbst auf dem Stuhl. Peng. Weg war er!»
    Als auch die zweite Flasche leer war, holte Kajetan noch etwas zum Nachspülen, reinen Spiritus. Hofer vertrug in seinem Zustand nicht viel. Mitten im Gespräch rutschte er unter den Tisch. Lorenz und Kajetan legten ihn auf die Bank, da schlief er auch schon. Dann setzten sich die beiden an den Tisch und gossen sich abermals ein. Irgendwann beschloss Lorenz, in dieser Nacht nicht mehr in seine Baracke zurückzugehen. Als Mechaniker kam es vor, dass er bei einem dringenden Auftrag gleich in der Werkstatt schlief. Kruglow hatte ihm einen Schein besorgt, damit es bei den Wachen im Lager keine Aufregung gab. Als auch der Spiritus alle war, breitete Kajetan für Lorenz auf dem Tisch eine Decke aus und legte sich selbst auf die zweite Holzbank. Bald klang es, als arbeitete in der Baracke ein Sägewerk im Akkord.
     
    Ein unmenschlicher Schrei, schrill und schneidend, erfüllte die Dunkelheit.
    «Heilige Mutter! Vergiftet, ihr habt mich vergiftet!»
    Lorenz schrak auf. Für einen Moment wusste er nicht, wo er war. Er hörte einen dumpfen Schlag. Ein lautes «Kruzitürken!» übertönte den abermaligen Schrei:
    «Ihr wollt mich umbringen!»
    Dann ging die schrille Stimme in Wimmern über.
    «Warum habt ihr das getan? Warum habt ihr das getan?»
    Wer hatte wen umgebracht? Wer wen vergiftet? Lorenz hatte Mühe zu verstehen, was um ihn herum geschah. Das «Kruzitürken» klang vertraut. Kajetan? Langsam erinnerte er sich.
    Licht ging flackernd an. Der Riese beugte sich über Hofer, der zusammengekrampft unter der Bank kauerte. Er hielt sich den Bauch und wimmerte immer wieder:
    «Warum habt ihr das getan?»
    Mit weit geöffneten Augen sah er Lorenz an.
    «Kajetan, hol den Feldscher, der verreckt uns gerade!»
    Mit Hofer war genau das passiert, was er schon am Abend befürchtet hatte: Er hatte sich überfressen. Die Kartoffeln, das Öl, der Schnaps – der ausgezehrte Körper konnte den plötzlichen Überfluss nicht verkraften. Gottesgericht?! Als Atheist war es manchmal wirklich schwer, nicht zu glauben, dachte Lorenz.
    Kajetan stürmte in die Nacht. Lorenz legte Hofer einen nassen Lappen auf die Stirn. Dann standen die verschlafenen Sanitäter im Raum. Sie packten den zuckenden Körper des Untersuchungsführers zusammen und trugen ihn hinaus. Lorenz und Kajetan saßen noch eine Weile wortlos im Licht der schwachen Lampe. Auf der Fensterbank standen die drei Gläser und die leeren Flaschen. Kajetan schaute in jede hinein, doch es war nichts mehr da. Dann stand er auf und legte im Vorbeigehen Lorenz die schwere Hand auf die Schulter.
    «Tja.» Er machte eine lange Pause. «Ist halt Schicksal. Du hast ihn gewarnt. Da war nichts zu machen, es war sein Tag. Du wolltest ihn leben lassen. Aber es war sein Tag.»
    «Leg dich hin. Die Nacht ist bald um.»
    Er verschloss

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