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Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters

Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters

Titel: Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lochthofen
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Berkel hervor. Er trat nach dem Hund, dessen Zähne mit metallischem Klang zusammenschlugen. Ein Pfiff, und Lord ließ von seinem Gegner ab. Bauer Berkel wagte nicht, von neuem gegen den Hund vorzugehen. Er sah, der Dobermann hatte Lust auf Händel. Besser also, man ließ sich nicht mit ihm ein. Außerdem lag ja auch kein Grund vor. Die Lausejungs hatten gut auf ihre Hippe aufgepasst.
    Die Jungs bogen in den Wald und verschwanden aus seinem Blickfeld. Das dichte Gestrüpp, die kratzigen Brombeerranken, die so hartnäckig nach ihren Beinen griffen, konnten sie nicht aufhalten. Endlich lag das kleine Gewässer vor ihnen. Sie scheuchten ein paar Teichschnepfen auf, die im Zickzackflug durch die Luft wirbelten und Purzelbäume schlugen, um dann am gegenüberliegenden Ufer ins Schilf zu fallen. Eine Rohrdommel unterbrach ihr Schlagen. Die Kinder standen wie von Zauber gebannt. Das laute, hastige Trinken Lords, der den stillen Wasserspiegel mit seiner Schnauze brach, rief die Jungs in die Wirklichkeit zurück. Sie erwachten aus ihrem Traum. Die Augen, die der Hunger groß umrandete, füllten sich wieder mit Leben. Unbewusst wiederholten sie die Schluckbewegungen des Hundes. Die Hosen rutschten. Erich versuchte, sie aufzufangen. Aber das gelang ihm kaum. Wie konnte es auch anders sein: Hüften, die das Herunterrutschen verhindern konnten, hatten sie alle nicht.
    «Speck!»
    Das klang wie ein Peitschenhieb. Sie stürmten zum Wasser. Prinz stand als erster knietief im Teich. In seinen Händen hielt er einen Schilfstängel: Speck! In hohem Bogen flogen die Blätter ins Wasser. Seine Finger arbeiteten flink, bald war der gelbliche Kern herausgeschält. Prinz biss hinein, gierig schmatzend. Ein bitterherber Geschmack verbreitete sich im Mund. Das dämpfte seinen Eifer und den der anderen auch. Sie frühstückten und dachten an frisches Brot, braun und knusprig gebacken, nie aufzuessen, weil es immer nachwächst.
    Von den Klärteichen tönte lautes Rufen. Die Jungs schreckten auf, sie hatten beim Spiel alles vergessen. Der da schrie, das war Gottlieb, der Wächter der Kläranlage und ein Mucker, wie man in der Bergarbeitersiedlung sagte, ein Baptist, dem die Spottsucht der Kinder das Leben versauerte. Gleich war das Liedchen auf ihren Lippen:
Immer rin, immer rin
Bei Gottlieb und Kathrin.
Schon wieder eine Seele
Hat Gottlieb an der Kehle!
    Doch was war das? Gottlieb fuchtelte mit den Armen, deutete über sie hinweg, aufgeregt und beschwörend. Die Jungs sahen sich verständnislos an, drehten sich um und erstarrten: die Ziege!
    Lotte hatte den Weg zurück genommen und stand mitten in Bauer Berkels Roggenfeld …
    Lorenz’ Herz begann, aufgeregt zu klopfen …
     
    «He, Mechaniker?!»
    Aus der Ferne hörte er die krächzende Stimme des Armeniers, der ihn unbemerkt eingeseift hatte und jetzt hinter seinem Stuhl stand. Gerade setzte er die Klinge des Rasiermessers an seinen Hals. Lorenz war froh, der Bedrängnis seiner Erinnerung entronnen zu sein.
    Der Barbier räusperte sich:
    «Mechaniker, man sagt, in Ihrer Gesellschaft lebt es sich gefährlich …»
    Er strich langsam das Rasiermesser vom Kehlkopf zum Kinn hinauf. Etwas in seiner Stimme gefiel Lorenz nicht.
    «Man sagt, Sie würden mit dem Hammer so flink umgehen.»
    Lorenz gefror das Blut. Der Armenier war kein Freund. Ja, ja, sie kannten sich ganz gut. Machten sogar Geschäfte. Aber er war und blieb ein Urka, der seinen Gesetzen und Regeln folgte. Und wenn der Bursche mit dem Loch im Kopf und der Barbier zur selben Bande gehörten, dann …
    Wehrlos saß er auf dem Stuhl, die Klinge am Hals, er rührte sich nicht. Der Hammer lag unter dem Stuhl, eingewickelt in seine Wattejacke. Unerreichbar. In dieser Situation hätte er ihm ohnehin nicht helfen können. Ein einfacher Druck auf das Messer genügte, er hatte es selbst mit viel Sorgfalt geschliffen. Er sah schon das Blut auf das Laken tropfen. Zudem, es führte einer das Messer, bei dem es auf ein paar Jahre nicht ankam. Zehn, zwanzig Jahre, ein Mord mehr spielte keine Rolle.
    «Man sagt, Sie hätten dem Burschen ein schönes Loch in den Kopf geschlagen.»
    Lorenz wagte nicht, die Spucke, die sich vor Aufregung im Mund gesammelt hatte, runterzuschlucken. Wieder und wieder strich die Klinge sacht über das Kinn, als wolle sie ihn zum Abschied noch einmal streicheln.
    «Gut gemacht, sehr gut, Mechaniker.»
    Der Armenier lachte plötzlich vergnügt.
    «Man muss die Hündischen schlagen, wo man sie treffen kann. Ein Loch im

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