Schwarzes Feuer: Die Herren der Unterwelt (German Edition)
an seine vermeintliche Bösartigkeit war zwar deutlich angekratzt, aber noch nicht völlig verschwunden.
Von da an jedoch hatte sie ihn mit anderen Augen gesehen, ihn genauer beobachtet und immer mehr Einzelheiten bemerkt, die ihr vorher nicht aufgefallen waren. Seine Vielschichtigkeit beeindruckte sie. Ebenso wie seine Widersprüchlichkeit.
Er war ein Zerstörer, und doch hatte er sie gerettet. Er besaß nichts, und trotzdem lehnte er ihr Angebot ab, ihn für seine Hilfe zu bezahlen. Obwohl er alles von ihr hätte haben können, was er begehrte. Wie selten so etwas war. Wie ungewöhnlich. Wie … wohltuend. Es brachte sie dazu, ihm einen Gefallen tun zu wollen . Alles, egal was, so wie sie gesagt hatte. Und für einen kurzen, magischen Moment hätte sie schwören können, er würde sie um einen Kuss bitten. Sein Blick war zu ihren Lippen gewandert und hatte dort verharrt, sehnsuchtsvoll, aufgewühlt. Jede Faser seines Körpers hatte pures, brennendes Verlangen ausgestrahlt.
Bitte , hätte sie ihn am liebsten angefleht. Sag es . Ihr Herz hatte zu rasen begonnen, der Mund war ihr wässrig geworden. Wie er wohl schmecken würde? Doch dann war er wieder zu sich gekommen, hatte den Kopf geschüttelt und sich mit hängenden Schultern von ihr abgewandt. Nein.
Wie ein Schlag in die Magengrube hatte die Enttäuschung sie getroffen. Doch ihn bedrängen oder gar nötigen würde sie nicht. Er hatte schließlich schon mehr als genug für sie getan. Und doch, immer wieder kreisten ihre Gedanken um die eine Frage, die eine Hoffnung … Fühlte auch er sich zu ihr hingezogen? In jenem magischen Moment hatte sie geglaubt, ein Glühen in seinen Augen zu sehen. Ein Glühen, das mit dem Fegefeuer nichts zu tun hatte.
„Langweile ich dich so sehr, dass du dich nicht einmal dazu herablässt, mir deine ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, nachdem du mich gerufen hast? Zweimal?“ Luzifers provokante Bemerkung rief sie in die Gegenwart zurück, und sie hätte sich ohrfeigen können. Willst du etwa dem Fürsten der Finsternis leichtes Spiel gewähren und dieses Kräftemessen verlieren, bevor es überhaupt richtig begonnen hat?
„Langweilen?“ Sie zuckte mit den Schultern. Mit Ja zu antworten käme einer Aufforderung an ihn gleich, ihrem Treffen etwas mehr „Würze“ zu verleihen. Ein Nein dagegen wäre gleichbedeutend mit dem Bekenntnis, sie hätte Interesse an ihm. Zumindest seiner Logik zufolge. Keins von beidem würde für sie zu etwas Gutem führen.
Schweigend ließ er den Blick über ihren Körper schweifen, während er es sich auf seinem Thron bequem machte. Kaum dass er Platz genommen hatte, begannen sich durchscheinende, geisterhafte Schleier zwischen den Knochen zu winden. Ein juwelenbesetzter Kelch tauchte aus dem Nichts auf, materialisierte sich direkt in Luzifers Hand, und genüsslich nippte er daran. Ein Tropfen von tiefroter Farbe rann ihm aus dem Mundwinkel und fiel auf sein blütenweißes Hemd, wo er einen kleinen, dunklen Fleck hinterließ. Blut.
Innerlich schüttelte es sie vor Ekel, ihr Gesichtsausdruck jedoch blieb unbewegt.
„Du bist angewidert von mir, nur zeigst du es nicht“, stellte er mit einem humorlosen Grinsen fest. „Wo ist die verzagte Maus, die mich sonst besuchen kommt? Die zittert und kaum ein Wort herausbringt, ohne zu stottern? Die ist mir sympathischer.“
Stoisch hob Kadence das Kinn. Sollte er sie ruhig beleidigen, so viel er mochte, sie würde nicht darauf eingehen. Dieses Mal nicht.
„Die Barriere wurde beschädigt, und mehrere Hohe Herren sind wild entschlossen, deinem Reich zu entfliehen.“
Das Grinsen gefror auf seinen Lippen. „Du lügst. Das würden sie nicht wagen.“ Seine Wut war nachvollziehbar. In einem Gefängnis ohne Insassen, über wen hätte er da herrschen sollen?
„Du hast natürlich vollkommen recht. Nie im Leben käme deine treu ergebene Bande von Dieben, Vergewaltigern und Mördern auf den Gedanken, sich gegen ihren Patron zu stellen und hinter seinem Rücken eigene Interessen zu verfolgen.“
Er verengte die Augen, offensichtlich verärgert. Was er eiligst mit einem lässigen Schulterzucken überspielte.
„Also schön, die Barriere bröckelt. Was soll ich deiner Meinung nach dagegen unternehmen?“
Eigentlich hätte diese Antwort sie nicht überraschen dürfen. Wusste sie doch, dass es ihm Vergnügen bereitete, es seinem Gegenüber möglichst schwer zu machen.
„Der Torwächter. Er kann mir dabei helfen, die Aufrührer zu stoppen. Doch da seine
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