Schwarzes Fieber
Podiumsdiskussion zum Thema Innere Sicherheit, schrieb eine ebenso lange wie verlogene Begründung für einen neuen Dienstwagen als Ersatz für den Opel, den ein übereifriger Kollege kürzlich bei der Verfolgung eines Verkehrssünders zu Schrott gefahren hatte. Dann war es zehn vor zehn und mein Schreibtisch fast leer.
Frau Doktor Steinbeißer litt nicht weniger unter der Hitze als ich und war noch schlechterer Laune als üblich.
»Es sind ja nicht nur diese Einbrüche, die mir Sorgen bereiten, Herr Gerlach. Da ist ja auch immer noch die leidige Geschichte mit dem toten Schwarzen. Bisher hatten wir das Glück, dass die Presse noch nicht richtig darauf angesprungen ist. Aber das wird vermutlich nicht mehr lange so bleiben. Korrigieren Sie mich bitte, falls ich irren sollte, aber der Mann ist seit über vier Wochen tot. Und Sie haben noch nicht einmal eine Spur?«
»Fünf Wochen vermutlich sogar.« Ich bemühte mich, ordentlich zerknirscht zu wirken. Das liebte sie.
»Und Sie haben immer noch nichts vorzuweisen?«
»Wir kennen inzwischen seinen Namen und seinen letzten Wohnort, was in Anbetracht der Umstände …«
Seufzend wiegte sie den Kopf.
»Weiter wissen wir nun definitiv, dass der Fall Nunda und die Unbekannte vom Königstuhl zusammenhängen. Nunda hat drei Tage vor ihrer Anreise zweimal eine Nummer in Huambo gewählt.« Diese Information war gerade erst zehn Minuten alt. Balke hatte sie mir vorhin mit auf den Weg gegeben. »Ich vermute, dass er eine Art Vorhut der Frau war. Er hatte hier etwas in ihrem Auftrag zu tun. Als diese Aufgabe erledigt war, hat er sie angerufen, und sie ist ihm nachgereist.«
Wie ich diese Gespräche hasste! Die Staatsanwältin wusste ebenso gut wie ich, dass wir taten, was wir konnten. Aber ihr Amt verpflichtete sie dazu, Druck auf mich auszuüben, wie meines mich dazu verpflichtete, den Druck nach unten weiterzureichen und mich vor ihr zum Deppen zu machen. Mit eifrigem Ernst Dinge zu versprechen, die meine Leute ohnehin getan hätten. Oder längst getan hatten. Oft hielt ich nämlich Ermittlungsergebnisse zurück, damit ich auch in Flautezeiten Erfolge vorzuweisen hatte. Heute verschwieg ich die Tatsache, dass wir inzwischen den Namen der Frau kannten.
»Wenn diese Frau und der ermordete … wie war der Name noch gleich?«
Die Hitze machte nicht nur mir zu schaffen, stellte ich befriedigt fest.
»Nunda. Rafael Nunda. Laut meinen Informationen gehörte er zur Volksgruppe der Herero.«
Das tat zwar nichts zur Sache, bewies aber, dass wir uns bemühten. Frau Doktor Steinbeißer musterte mich mit dem argwöhnisch-verblüfften Blick einer Lehrerin, die ihrem Schüler nicht recht glauben kann, dass der seine Hausaufgaben alleine gemacht hat.
»Wenn also diese Frau und der Ermordete unter einer Decke steckten …«
»Die Vermutung liegt nahe, dass sie nicht als Touristen nach Heidelberg kamen. Ich denke eher, dass es um Geschäfte ging. Der Mann hat während des Bürgerkriegs unter anderem mit Waffen gehandelt. Möglich, dass er hier etwas Ähnliches plante. Vielleicht sollte ihn die Frau dabei unterstützen.«
»Sie glauben, wir haben es mit einem politischen Hintergrund zu tun?«, fragte sie erschrocken. Politische Verwicklungen bedeuteten auch für meine vorgesetzte Behörde und deren unwirsche Leiterin Stress. Anrufe empörter Botschafter, inquisitorische Anfragen aus dem Außenministerium, und wenn es ganz dick kam, sogar die Einmischung der Bundesanwaltschaft. Und das ist das Letzte, wovon ein Staatsanwalt träumt.
»Ich halte es für denkbar. Und möglicherweise hat Nunda dann hier in Heidelberg jemanden getroffen, den er lieber nicht wiedergesehen hätte. Wenn die beiden wirklich nur als Touristen reisten, wäre schwer zu erklären, warum sie fast drei Wochen nach ihm ankam und warum jemand sie töten wollte.«
»Warum nicht einfach illegale Einwanderung?«, grübelte sie auf der Suche nach einer harmloseren Erklärung. »Er hat hier eine Wohnung gesucht. Er hat sie gefunden und seine Partnerin nachkommen lassen.«
»Sie denken, die beiden waren ein Paar?« Irgendetwas an dieser Vorstellung gefiel mir nicht. »Möglich. Aber auch diese Hypothese erklärt nicht die Mordanschläge.«
Die Staatsanwältin nickte, als wäre ihr Kopf nicht richtig auf dem Hals befestigt. Unentwegt spielte sie mit ihrem kostbar aussehenden Faber-Castell-Füller, dem einzigen Schreibwerkzeug, das ich sie je hatte benutzen sehen.
»Und nun?«, seufzte sie nach einer Weile
Weitere Kostenlose Bücher