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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Architekten.
    Am Ende war sie völlig verzweifelt.
    »Ich kann doch nicht einen Mann ins Gefängnis bringen, nur weil ich mir einbilde, ihn mal irgendwann irgendwo kurz gesehen zu haben!« Sie sank auf den nächsten Stuhl und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. Schüttelte den Kopf. »Nein, wirklich, beim besten Willen.«
    Als Nächste führte Runkel nacheinander die beiden Frauen aus dem Untergeschoss des Uniklinikums herein. Balke war rechtzeitig irgendwohin verschwunden.
    Seine Verehrerin machte den Anfang. Schon nach einem kurzen Blick war sie sicher, dass der Dritte von rechts der Mann war, den sie gesehen hatte.
    »Der Anzug!«, stieß sie hervor. »Die Schultern! Der Kopf!«
    »Und was ist mit seinem Gesicht?«, fragte ich unglücklicherweise, denn nun begann sie plötzlich zu zögern.
    »Ich hab ihn ja eigentlich eher von hinten gesehen«, gestand sie endlich. »Er ist grad durch die Tür ins Treppenhaus gegangen. Und da hab ich ihn gesehen, aber halt nur von hinten.«
    Ihre blonde Kollegin, die Schlindwein von vorne gesehen haben musste, war völlig konfus und wollte sich auf nichts festlegen.
    Die Nächste, die wir Schlindweins massigen Körper und gelangweiltes Gesicht betrachten ließen, war die Krankenschwester, die ihn in Rosanas Zimmer angetroffen hatte. Auf sie setzte ich die größten Hoffnungen, denn sie war ihm näher gewesen als alle anderen.
    »Ich müsste seine Stimme hören«, sagte sie, nachdem sie die Männer lange betrachtet hatte. »Schon möglich, dass ich einen von denen schon mal gesehen habe. Aber wo? Und wann? Mir ist doch erst später klar geworden, was der Kerl bei uns gewollt hat. Da ist mir vielleicht der Schreck in die Glieder gefahren! Fr hätte mich ja auch umbringen können, nicht wahr?« Sie schauderte. »Aber die Stimme, die vergesse ich nie im Leben.«
    Runkel drückte wortlos einen Knopf unseres Tonaufzeichnungsgeräts. Die Zeugin hörte eine Weile mit gesenktem Blick zu, wie unser Verdächtiger wieder und wieder sein »keine Ahnung«, »weiß nicht«, »nie gesehen« wiederholte. Dann sah sie auf.
    »Weiß nicht«, sagte sie betreten. »Es ist zu lange her.«
    Runkel brachte das Gerät mit einem solchen Hieb zum Verstummen, dass ich fürchtete, es wäre kaputt.
    »Also, was nun?«, fragte er grob. »Ja oder nein?«
    »Er könnte es schon sein, ja«, erwiderte die Rothaarige zerknirscht.
    »Aber Sie sind sich nicht sicher?«
    »Es ist doch alles so furchtbar schnell gegangen.«
    »Fifty-fifty?«, schlug ich vor.
    »Ja«, meinte sie, nachdem sie eine Weile den Kopf gewiegt hatte. »Okay. So halb sicher bin ich mir eigentlich schon. Ja.«
    Die Putzfrau schließlich, die Schlindwein ebenfalls gesehen haben wollte, starrte lange und aufs Äußerste angespannt durch den Spiegel.
    »Und?«, fragte ich nach einer Weile, während Runkel sie musterte, als wollte er ihr gleich eine Kopfnuss verpassen.
    »Kann nicht sehen«, gestand sie und murmelte etwas wie: »Vergessen Brille.«
    Runkel polterte davon, um irgendwo im Haus ein paar Sehhilfen aufzutreiben. In der Zwischenzeit versuchte unsere Zeugin es mit meiner eigenen, aber damit sah sie noch schlechter als ohne.
    Fünf Minuten später kam Runkel mit rotem Kopf und fünf Brillen zurück. Die von Liebekinds Sekretärin schien am besten zu passen.
    »Er könnte es sein, ja.« Sie wandte sich um, strahlte uns an und nahm die Brille ab.
    »Welcher?«, fragten wir gleichzeitig.
    »Dritte von links.«
    »Von links? Sind Sie sicher?«
    Sie wandte sich noch einmal der Scheibe zu. Setzte die Brille wieder auf. »Von links. Ja.«
    Wieder unser Hausmeister.
    »Haben Sie eigentlich an dem Morgen in der Klinik Ihre Brille getragen?«, fragte ich.
    »Ich tragen nicht so gerne. Ist nicht so hübsch.«
    Am Ende gestand sie uns, dass sie ohne Brille nicht einmal ihre Mutter erkannt hätte.
    Kurzzeitig fürchtete ich, sie vor Runkel beschützen zu müssen.
    »Herrgott!« Nachdem die Frau endlich aus dem Raum war, drosch er mit beiden Händen auf den Tisch ein. »Ich könnt kotzen!«
    »Sparen Sie sich das für später auf«, sagte ich. »Eine haben wir ja noch. Ich weiß zwar jetzt schon, dass nichts dabei herauskommen wird, aber versuchen wir es.«
    Es war ein ungewohnter Anblick für mich: Rosana nicht im Krankenzimmer, sondern auf einem Besucherstuhl in meinem Büro und vor ihr Schlindwein, sicherheitshalber mit Handschellen und zwischen zwei kräftigen Uniformierten stehend. Sie saß da, aufrecht und korrekt, wie früher wohlerzogene

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