Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
Vom Netzwerk:
an einer Autobahn
in Südschweden und trampte Richtung Norden. Alles, was er besaß, trug er in
einem Seesack. Er wollte nach Göteborg, um sich das Bruce-Springsteen-Konzert
im Stadion anzuhören. Seine Haare reichten bis zu den Schultern, er trug einen
kurzen Bart und einen bunten Kaftan, eine grüne Hose und Ledersandalen. Vibeke
Øverkil erzählte ihrer Schwester später:
    »Er sah aus wie eine Kreuzung aus Jim Morrison und Che
Guevara. Ich musste einfach anhalten.«
    Vibeke Øverkil war eine zweiundzwanzigjährige Norwegerin.
Sie lebte sehr gut vom Lexikonverkauf auf Provisionsbasis in Oslo. Ihr
Verkaufsbereich war die Karl Johans Gate, Oslos Prachtstraße. Und sie war die
geborene Verkäuferin. Sie konnte in jeder Lage verkaufsorientiert denken.
Außerdem verfügte sie über ein natürliches Einfühlungsvermögen und eine
Ausstrahlung, die jeden Mann an eine Katze denken ließ. Das hatte ihr ein
Jahresgehalt von knapp einer Million Kronen eingebracht, was wiederum dazu
führte, dass in der Boulevardzeitschrift
Se og Hør
einen Artikel
über das »Lexikon-Babe« erschien. Jim Klafstad hatte diese Bildreportage mit
großem Interesse gelesen und sich gleich in die Schlange neugieriger Kater auf
der Karl Johans Gate eingereiht. Schließlich lud er sie zum Essen ein. Im
Gegenzug schwätzte Vibeke ihm drei Garnituren eines zwölfbändigen Lexikons
auf, eins für ihn, eins für die Eltern und eins für die Großeltern.
    Wenn Vibeke Øverkil nicht mit dem Verkauf von Lexika
beschäftigt war, hatte sie Gelegenheitsjobs als Mannequin, vornehmlich in
Kopenhagen. Ihre große Liebe, der Modefotograf Jens Ø, hielt sie lange Zeit
hin, indem er sie beständig abblitzen ließ, sie dann aber wieder zu sich nach
Kopenhagen einlud. Dort machte er sie zunächst glücklich, verletzte und
demütigte sie aber anschließend so sehr, dass sie wutentbrannt nach Oslo
abreiste. Kurz darauf bereute sie ihren Entschluss und sehnte sich zu ihm
zurück.
    Dieses Mal jedoch verlief alles anders. Sie wollte ihm einen
Überraschungsbesuch abstatten. Und der endete überraschend. Als sie die
Wohnung ihres Freundes aufschloss, sah sie als Erstes Jens Øs nackten Hintern,
der schnell zwischen zwei langen Frauenbeinen auf und ab hoppelte. Dieser
Anblick entlockte ihr einen Schrei, der bewirkte, dass die beiden auf dem Sofa
zuerst auffuhren, dann schrien und nackt umherliefen, während sie ihre
Kleidungsstücke vom Boden aufsammelten und versuchten, ihre Körper mit den
Händen zu bedecken. Als Höhepunkt langte Vibeke nach einer halbleeren Flasche
Chablis, die in einem Kühler auf dem Tisch stand, und warf sie nach Jens Ø.
Dann knallte sie die Tür hinter sich zu.
    Nun raste sie mit hundertdreißig Stundenkilometern –
Tränen in den Augen und Nazareths
Love Hurts
in voller Lautstärke
– eine Straße entlang, die in der schwedischen Presse als Todesstraße
bekannt war, als sie den Anhalter am Fahrbahnrand entdeckte.
    Anders war soeben von einer Literaturwissenschaftlerin aus
dem Auto geworfen worden. Sie hatte ihn auf der Fähre von Helsingør nach
Helsingborg aufgelesen. Er war sofort eingeschlafen. Als er aufwachte,
unterhielten sie sich über Gott und die Welt und über Bücher. Die Fahrerin
stellte die Hypothese auf, dass alle großen Werke eigentlich von den Ehefrauen
oder Geliebten der Autoren geschrieben worden seien. Gegenargumenten war sie
nicht zugänglich. Es begann friedlich und ruhig mit dem Niedermetzeln Bertolt
Brechts. Sie war der Ansicht, es sei allgemein bekannt, dass der Dichter nur
die Fassade für seine talentierten Geliebten war. Sie ging über zu Arne
Garborg, dessen Bücher angeblich von seiner Frau Hulda geschrieben waren.
Tarjei Vesaas’ Bücher stammten eigentlich aus der Feder seiner Frau Haldis
Moren Vesaas. Doch als sie schließlich mit Henrik Ibsen anfing, platzte Anders
der Kragen, und er nannte sie eine geschlechtsfixierte Faschistin, die unter
einem so übermächtigen Penisneid leide, dass sie sich unbewusst an allen
Männern rächen wolle.
    Letzteres hätte er besser für sich behalten. Die Frau hatte
eine Vollbremsung gemacht, das Gesicht blass vor Wut.
    »Übrigens«, hatte sie aus dem Fenster geschrien, während
Anders seine Sachen im Straßengraben zusammensuchte, »es war nicht Sigmund
Freud, der die Bücher über Psychoanalyse geschrieben hat. Das war Sabrina
Spielrein!«
    Als Vibeke anhielt, hatte Anders kaum eine halbe Zigarette
geraucht. Nachdem

Weitere Kostenlose Bücher