Schwarzes Gold Roman
schickte, um sich neue Schuhe zu kaufen. Brede Gran
war ein Yuppie.
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Anders Lindeman interessierte sich nur wenig für die
Medienhysterie, die sein Vater und der Krieg um Spenning auslösten. Er
überflog lediglich die merkwürdigen Personenbeschreibungen, die gelegentlich
von den Zeitungen serviert wurden. Anders war völlig auf sein Dasein als
Schriftsteller in spe konzentriert. Er hatte seinen Roman
Doffens
Unterwelt
an die drei großen Verlagshäuser Cappelen, Gyldendal und
Aschehoug geschickt. Doch er hatte noch keine Antwort erhalten. Er versuchte
seine Nervosität in langen Nächten, Irenes weicher Haut und temperiertem
Rotwein zu ertränken.
Am Tag vor der Einweihungsparty schnappte er auf, dass im
Club 7 ein Lyrikabend stattfinden sollte. Es war das Avantgarde-Lokal
schlechthin. Doch es war auch ein Amateur-Lokal. Das Publikum wurde gebeten,
sich zu beteiligen.
Er beschloss, sein Debüt im Club 7 zu geben, wollte ein
Gedicht vorlesen, oder fünf – perfekt für einen avantgardistischen Autor:
So etwas half der Mythenbildung und war radikal, später im Leben würde man
sich daran erinnern oder damit angeben können. Er war nervös wie nie zuvor.
Doch als er den dunklen Raum betrat, saßen dort nur ein paar zerzauste Typen
in der hintersten Ecke. Am anderen Ende des Saals befand sich eine kleine
Bühne mit einem Mikrofonständer. Nichts deutete darauf hin, dass hier eine
Veranstaltung stattfinden würde. Auf der Bühne waren keine langhaarigen
Techniker beschäftigt, auf den Stühlen machten sich keine berühmten
Persönlichkeiten breit. Anders konnte nicht still sitzen und verließ die
Kneipe. Eine Dreiviertelstunde später kam er wieder. Da drängten sich in der
letzten Reihe ein paar junge Mädchen zusammen. Mitten im Raum saß eine Gruppe
von Literaturstudenten. Anders fand einen freien Platz an einem Tisch, an dem
zwei Dichter saßen, die jeder, wie er wusste, schon einen Gedichtband
veröffentlicht hatten. Sie fragten, was er machte.
»Literatur studieren.«
»Willkommen beim Familientreffen.«
Anders bekam mit, dass die beiden am Vorabend zusammen mit
einem dritten Autor, Terje Vigen, eine Party besucht hätten. Vigen habe
angedroht, sich umzubringen. Lautstark diskutierten sie nun Terje Vigens
potenziellen Selbstmord.
»Dir ist schon klar, was passiert, wenn er sich das Leben
nimmt?«
»Er stirbt.«
»Das meine ich nicht, du Idiot. Sein kleines Scheißbuch,
das wird dann als wichtig angesehen, nur weil er sich umgebracht hat. Der
verdammte Selbstmord macht aus dem kleinen Schwächling einen verkannten
Künstler …«
Die Tragweite der Situation dämmerte dem anderen. »Oh,
Scheiße«, stöhnte er.
»Ich gehe jetzt hoch zu Terje«, sagte der erste. »Ich
erzähle ihm etwas, etwas über das Schöne am Leben.«
»Was denn?«
»Was denn? Was denn? Es gibt doch Schönes im Leben. Essen
zum Beispiel!«
»Sprich nicht vom Essen!«
»Warum nicht?«
»Weil er sich dick und fett und missraten fühlt, er hat
sich immer dick und missraten gefühlt. Er schreibt doch ausschließlich über
fette, missratene Menschen …«
»Du hast recht, Essen ist schlecht, ich muss mir was anderes
einfallen lassen. Ich hab’s. Weiber, heiße Weiber, die ihre schmutzigen
Fantasien mit Schriftstellern ausleben …«
»Schlechte Idee. Dann glaubt er, du hast seine Freundin
gevögelt und erschießt sich, bevor du zu Ende erzählt hast.«
»Was sollen wir denn dann machen?«
»Wir müssen die guten Gefühle beschwören, an die
Freundschaft appellieren.«
»Freundschaft? Dieser Scheißkerl will alle Aufmerksamkeit
auf sich lenken, indem er sich das Hirn wegbläst. Gibt es eine
hinterhältigere Art, seine Freunde zu betrügen, als mit einem Selbstmord den
eigenen Mythos zu kreieren? Nur weil er gute Kritiken gekriegt hat, will er uns
anderen alles kaputtmachen.«
Auf der Bühne tat sich etwas. Die Veranstaltung wurde als
eröffnet erklärt. Ein Typ mit Bart fragte, ob einer der Anwesenden etwas auf
dem Herzen habe – ein paar Worte, die er mit dem Publikum teilen wolle.
Die beiden Dichter sahen einander an. Der eine erhob sich und
brüllte: »Reaktionäre Arschlöcher! Ihr korrumpiert und zerstört die
Literatur durch Prostitution der Sprache!«
Die gesamte Kneipe wandte sich zu ihnen um.
Beide Dichter waren zufrieden. Sie grinsten einander an.
Anders spürte, dass der Moment gekommen war. Er erhob sich
und trat ans Mikrophon.
Er stand auf dem Podium und
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