Schwarzes Gold Roman
Riebergruppe um einen
Termin gebeten hatte, da aber Gunnar Lie Worthülsen wie »strategische
Evaluierung« und »Synergieeffekte« abgesondert hatte, ging er davon aus,
dass es um nichts anderes ging als Brede Grans Wunsch nach einem Plan B für
den Fall, dass die Hauptversammlung sich entscheiden würde, Lindeman zu
folgen. Der Versuch, Kapitalinvest in seine Pläne einzubinden – ja, dem
Maklerbüro am liebsten die Planung ganz zu überlassen –, wäre typisch für
Gran. Aber Erling hatte seine Position zu Gran gefunden. Er war dabei, sich
Ellbogenfreiheit zu schaffen. Während er in der heißen Augustsonne über die
Karl Johans Gate schlenderte, dachte er über den neusten Schachzug nach, den
Plesner und er geplant hatten, und darüber, wie er sich von nun an dem Mann
gegenüber verhalten sollte, der Spenning AS kapern wollte. Daher erklomm ein
kühler, effektiver und wenig entgegenkommender Erling Sachs die Treppe im
Hause Rieber.
In Grans Büro sah es nach harter Arbeit aus. Hemdsärmelige
Männer schrien in Telefone oder hackten auf Maschinen ein. Brede Gran hob zur
Begrüßung den Arm und zog Erling zu einem großen Tisch mitten im Raum, wo
sich auch bald die anderen einfanden. Rechtsanwalt Jonas Wilhelmsen, der
Aufsichtsratsvorsitzende der Riebergruppe, Gunnar Lie, und als Letzter, der von
Gran vorgestellt wurde: Jim Klafstad.
Brede Gran kam direkt zur Sache. »Ich möchte einen echten
Haufen Scheiße über Vebjørn Lindeman ausgegraben haben.«
Erling senkte betroffen den Blick auf die Tischplatte. »Ich
bin lediglich Makler«, antwortete er abweisend. »Und ich stehe den
unterzeichnenden Parteien vollkommen neutral gegenüber.«
»Aber Sie kennen Lindeman gut.«
»Wieso glauben Sie, dass ich mich einem meiner Freunde
gegenüber illoyal verhalten würde?«, fragte Erling steif.
»Jetzt kommen Sie schon«, polterte Gunnar Lie. »Hier wurde
niemand gebeten, illoyal zu sein. Wir brauchen Stoff – Dreck.«
Erling nickte zu Jim Klafstad. »Sie haben doch den Kompagnon
von Per Ole, Lindemans Sohn, an Bord. Warum gehen Sie nicht diesen Weg?«
Die anderen wandten sich Jim Klafstad zu. Der holte tief Luft
und sagte: »Wir wissen genug schmutzige Geschichten, um einen Supertanker zu
füllen. Das Problem ist nur, dass nichts davon besonders originell ist.
Lindeman ist ein Säufer, der sich volllaufen lässt, bis er hinfällt oder
sich bepisst. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen. Gerüchte besagen, dass
er seinen Job bei der CBK verloren hat, weil die Bank durch einen idiotischen
Dollardeal einige hundert Millionen verloren hat. Er hat einen drogensüchtigen
Sohn …«
»Falsch«, sagte Erling.
»Er sieht jedenfalls so aus. Er ist mehrere Jahre durch
Fernost getingelt, hat lange Haare, einen Bart und läuft rum wie ein
Ersatzjesus. Lindemans Frau hat einen Knall, ist psychotisch, schizophren,
nennen Sie es, wie Sie wollen, auf jeden Fall ist sie komplett fertig. Die
Hälfte der Zeit sitzt sie in Blakstad.«
»Also, warum fragen Sie mich?«, sagte Sachs und machte
Anstalten, die Zusammenkunft zu beenden.
Schnell ergriff Gunnar Lie das Wort: »All das ist
unbrauchbar. Trinkerei reicht nicht, Lindeman ist schon lange trocken.«
»Und seine Frau, die Bekloppte?«
»Nein«, sagte Lie. »Wenn man solche Familiengeschichten
benutzt, kann es leicht ins Gegenteil umschlagen. Lindeman geht an die Presse
und gibt der Krankheit ein Gesicht – Finanzmogul kümmert sich um seine
kranke Frau und bringt das Gespräch auf psychische Krankheiten. Die gesamte
Klatschpresse wird sich auf Lindeman stürzen und ihn reiner waschen als den
Engel Gabriel.«
Brede Gran räusperte sich. Er wechselte einen Blick mit Lie,
der übertrieben fragend sprach:
»Ich habe Gerüchte über eine Geschichte in Trondheim
gehört.«
»Trondheim?«, fragte Gran ebenso übertrieben.
Erling senkte den Blick, um zu verstecken, wie armselig
eingeübt er diesen Wortwechsel fand. Endlich hatten sie die Katze aus dem Sack
gelassen. Wenig elegant – aber endlich war klar, warum er dieses elende
Theater über sich ergehen lassen musste. Er hob den Kopf und erwiderte kühl:
»Die kenne ich nicht.«
»Es geht das Gerücht, dass vor ein paar Jahren auf einem
von Kapitalinvest arrangierten Seminar schreckliche Dinge passiert sind. In
Zusammenhang mit Lindeman.«
Alle starrten Erling an, der seinen Waterman zwischen den
Fingerspitzen drehte. »Ist ja ein interessantes Gespräch, das Sie hier
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